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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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Erleuchtung hoffend. Ich sah im Wohnzimmer nach, das aber verlassen dalag, ein trübe flimmernder statischer Raum, der sich im diabolischen Auge meines Bildschirms fing. War sie schon früh aus dem Haus gegangen? In die Uni vielleicht?
    Doch dann fiel mir ein, daß sie ja nur einen einzigen Kurs belegt hatte – »Zeichnen für Fortgeschrittene«, die Kursgebühr zahlten die Betreiber der Website, die die sexy Teenager-Studentenkätzchen dazu ermunterten, tatsächlich irgend etwas zu studieren, so daß die Voyeure da draußen sich daran aufgeilen konnten, wie sie in ihren Tanga-Bikinis und den Push-up- BH s aus feiner Spitze über den Büchern büffelten –, und daß dieser Kurs immer am Nachmittag stattfand. Übrigens wurde sie auch bezahlt – das Honorar betrug fünfhundert Dollar im Monat, plus mietfreies Wohnen in der Peep Hall und eine bestimmte Summe fürs Essen –, das alles dafür, daß sie der Welt gestattete, ihr heißes junges aufreizendes Leben live mitzuverfolgen, während jeder bebenden Minute jedes gedunsenen Tages, jedes fülligen Monats und jedes wohlgerundeten Jahres. Ich mußte an die Mädchen denken, die als Aktmodell für uns Kunstschüler im College posiert hatten (insbesondere dachte ich hier an Nancy Beckers: kurzes schwarzes Haar, pralle Muskeln an Waden und Oberarmen und ein Blick, der mir Lust machte, mich sofort bis auf die Socken auszuziehen und zu ihr aufs Podium zu steigen), und dann klickte ich auf »Unteres Bad«, und da war sie.
    Das Wiedersehen war weder heiß noch sexy. Alles andere als das. Samantha – meine Samantha – kauerte auf den Knien über der Toilette, die nackten Fußsohlen wirkten wie Anführungszeichen rechts und links ihres runden Hinterteils, die Haare hingen über den blinkenden Rand der Klomuschel. Ihr Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber ich sah den Hinterkopf mit jedem Würgen, das sie erfaßte, nach vorn zucken, und ich stellte mir unwillkürlich den Ton dazu vor, wobei ich zugleich Mitleid und Schuldgefühle empfand. Ihre Füße – mir taten ihre Füße so leid –, das jähe, langgezogene Schütteln ihres Rückgrats, die klitschnassen Spitzen ihres Haars... Ich konnte es nicht mit ansehen. Ich konnte einfach nicht. Mein Finger lag auf der Maustaste – ich warf noch einen letzten Blick auf sie, sah einen letzten Schauder ihre Wirbelsäule entlangströmen und die Schulterblätter erfassen, sah zu, wie ihr Kopf nach vorn gerissen wurde und das Haar herabfiel, dann klickte ich mich weg und überließ sie ihrem Leid.
    Eine Woche verrann, und ich nahm es kaum wahr. Ich konnte nicht gut schlafen, trieb keinen Sport, saß nicht draußen auf der Veranda mit einem Buch in der Hand und ließ die Welt um mich herum sich entfalten wie ein noch größeres Buch. Ich lebte ein Bildschirmleben, meine Knochen waren hohl, mein Hirn war tot. Ich aß am Schreibtisch – Pizza aus der Mikrowelle und Chili-Käse-Burritos, dazu Nachos und Whiskey im Wasserglas, wie eine süße Verheißung, die sich jedoch niemals erfüllte. Mir juckte der Kopf. Meine Augen schmerzten. Aber ich glaube, es gab keine wache Minute außerhalb meiner Arbeit, in der ich nicht die Zimmer von Peep Hall durchstreifte, mich von Kamera zu Kamera klickte, immer auf der Suche nach einem neuen Blickwinkel, einem besseren, nach der Perspektive, die mir alles zeigen würde. Ich sah zu, wie Gina ihre Zähne reinigte und Candi sich feine schimmernde Härchen aus dem Muttermal am Mundwinkel zupfte, ich saß im oberen Bad mit dabei, während Traci sich die Haarwurzeln bleichte und die Beine rasierte, ich schwebte elektrisiert über dem Sonnendeck, während Cyndi mit einer Flasche Wodka und dem Feuerzeug in der Hand nackt auf dem Geländer saß und im Zwielicht der nahenden Nacht Flammen spie. Hauptsächlich aber beobachtete ich Samantha. Wenn sie zu Hause war, verfolgte ich sie von Zimmer zu Zimmer, und wenn sie nach ihrer Tasche griff und zur Tür hinausging, kam es mir vor, als hätte Peep Hall seinen Mittelpunkt verloren. Es schmerzte mich, und es war fast wie ein körperlicher Schmerz, als hätte mir jemand einen unsichtbaren Schlag versetzt.
    Eines Nachmittags bog ich in meine Einfahrt ein – es muß ein Dienstag oder Donnerstag gewesen sein, da ich von der Mittagsschicht kam –, als eine schlaksige, großgewachsene Frau mit Designersonnenbrille aus dem Nichts hervortrat und mir den Weg abschnitt. Sie trug sportliche Shorts und ein T-Shirt, dessen Aufdruck für irgendeine karitative Veranstaltung an der

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