Schluß mit cool (German Edition)
Gewerbeausübung in Wohngebieten und Geschäft mit der Unzucht und all dem Zeug nerven, aber ehrlich gesagt, ich meine, was ist denn schon dabei?«
»Ich sehe zu«, sagte ich unvermittelt und blickte ihr dabei in die Augen. »Ich sehe dir zu.«
Ihr Lächeln erblühte zu einem breiten Grinsen. »Ach so?«
Ich hielt ihrem Blick stand. Ich nickte.
»Wirklich? Na, das ist – das ist toll. Aber du hast mich noch nie etwas Dreckiges tun sehen, oder? Ein paar von den anderen Mädchen stehen auf so was, aber ich denke mir, ich lebe einfach nur hier, weißt du, und kriege dafür was gezahlt – das Honorar ist ja nicht übel. Ich brauche das Geld. Ich finde das Geld super . Und wenn ich nackt unter der Dusche stehe oder mich umziehe, und all diese Typen holen sich dabei einen runter oder so, das ist mir doch egal, so ist das Leben, verstehst du, was ich meine?«
»Weißt du, wann ich dir am liebsten zusehe? Wenn du schläfst. Du siehst so – ich will nicht sagen, ›engelhaft‹, aber ein bißchen stimmt es schon –, du siehst einfach so friedlich aus, finde ich, und ich habe dann das Gefühl, ich wäre bei dir, ich würde über dich wachen.«
Daraufhin stand sie aus dem Sessel auf und kam durch das Zimmer zu mir herüber. »Das hast du lieb gesagt«, erklärte sie, stellte ihr Bier auf den Fernsehtisch und ließ sich auf dem Sofa neben mir nieder. »Wirklich lieb«, murmelte sie, schlang einen Arm um meinen Hals und schob ihr Gesicht dicht an mich heran. Alles schien in diesem Augenblick verwandelt, plötzlich sah ich jeden Gegenstand im Zimmer ganz scharf, und ich sah auch sie mit tiefer, offenbarender Klarheit. Ich küßte sie. Spürte das weiche Flattern ihrer Lippen und ihrer Zunge an meiner und dachte nicht mehr an Stefania, an meine Exfrau, an Sarah Schuster und Grandma Rivers. Ich riß mich los, und dann küßte ich sie noch einmal, und es war ein endloser, langsamer, süßer, sehnlicher Kuß, sie streichelte mir dabei den Nacken, und ich hatte die Hände auf ihren Hüften, wir träumten uns dahin. »Möchtest du...?« keuchte ich. »Kannst du...«
»Nicht hier«, sagte sie und sah direkt in die Kamera. »Sie mögen das nicht. Sie mögen nicht einmal das hier.«
»Na gut«, sagte ich, »na gut«, und auch ich blickte auf, geradewegs in das gläserne Auge von Kamera 1. »Was machen wir dann jetzt?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Halt mich einfach fest.«
Abwärts
Er begann das Buch um Viertel nach zwei an einem Samstagnachmittag Anfang Dezember. Ein paar andere Dinge hätte er lieber getan – sich das Heimspiel von Notre Dame angesehen, zum Beispiel, oder es wenigstens im Radio gehört –, aber draußen prasselte ein Eisregen gegen die Fenster, gegen Abend würde er sich laut Wetterbericht in Schneetreiben verwandeln, und seit über einer Stunde war der Strom ausgefallen. Barb zog durch die Warenhäuser und frönte ihrem Kaufrausch, Buck war weit weg in seinem College in Plattsburgh, und der Hund lag als arthritisches Häuflein auf dem Teppich in der Eingangshalle. John hatte im Kamin ein Feuer angezündet, den Brennstoff in den Sturmlampen überprüft und sie dann überall im Haus verteilt, das Frühstücksgeschirr von Hand abgewaschen (die Spülmaschine war jetzt nur noch ein Artefakt, genau wie der Kühlschrank und die Heizung), dann war er in Bucks Zimmer gegangen, um nach Lesestoff zu suchen.
Das Zimmer seines Sohnes war ein anderes Universum, ein artfremder Raum inmitten der Wände der größeren, vertrauten Arena des Hauses, das er bis in die kleinsten Einzelheiten kannte, vom verrosteten Wasserhahn im unteren Badezimmer bis zu der termitenzerfressenen vorderen Veranda und dem widerspenstigen Lichtschalter im Gästeschlafzimmer. Seit September war niemand hier drin gewesen, und es roch stark nach Schimmel – erstarrtem Schimmel. Kalt wie in einer Kühlkammer war es, und wieso auch nicht? Wozu einen ungenutzten Raum heizen? Er tastete nach dem Lichtschalter und drückte ihn sogar zweimal hintereinander, ganz entgeistert, ehe ihm klar wurde, daß er ebensowenig funktionierte wie der Geschirrspüler. Deshalb war er ja überhaupt hier: er wollte sich ein Buch zum Lesen holen, weil es ohne Strom kein Fernsehen gab und ohne Fernsehen nichts über Notre Dame.
Er überquerte den leicht klebrigen Teppich und kurbelte die Jalousien hoch; blasses, fahles, ausgewaschenes Licht fiel in den Raum. Als er sich wieder umdrehte, starrten ihm die unumwunden ehrgeizigen Gesichter einiger Rap- und Rockstars
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