Schluss mit dem ewigen Aufschieben
Freizeitaktivitäten, aus dem sich auch ergab, wann sie am Schreibtisch sitzen würde.
Sie hatte sich klar gemacht, dass diese ersten dreißigminütigen Sitzungen wohl kein Honiglecken werden würden. Sie spürte
die Unlust, den Impuls »Steh doch einfach auf und iss was«, es zuckte in ihren Beinen, und sie musste dringend etwas tun,
um der Versuchung zu widerstehen. Wie sie es sich vorher überlegt und immer wieder vorgestellt hatte, notierte sie die ablenkenden
Gedanken und Einfälle in ihrem bereitliegenden Veränderungsjournal und befahl sich, die nächsten fünf Minuten am Schreibtisch
zu bleiben und sich zu beobachten. Dabei bemerkte sie, dass nach einem zweiminütigen inneren Kampf die ablenkenden Stimmen
verstummten, sie konnte sich wieder konzentrieren und weiterschreiben. Nach der dreißigminütigen Arbeitssitzung bewertete
sie die Stärke der störenden Gedanken auf einer Skala von 1 (kaum ablenkend) bis 5 (maximal ablenkend) und belohnte sich selbst
für ihre erfolgreiche Selbststeuerung mit einer ihrer teuren belgischen Pralinen.
Indem Beate den Willen als Motor ihrer Veränderung einsetzt, gewinnt sie Kontrolle über ihr eigenes Verhalten zurück. Sie
verfolgt weiterhin ihre Absichts- und Zielintentionen, fixiert sich aber nicht auf sie, sondern bemerkt auch störende, sich
aufdrängende Gedanken. Durch die kurze Notiz und die nachfolgende Selbstbeobachtung macht sie die Erfahrung, dass die nervende
Unruhe nicht ewig andauert, sondern nach relativ kurzer Zeit verschwindet. Beate nutzt das Vierganggetriebe von Selbststeuerungstechniken,
das Sie im Kapitel
Schluss mit dem Schlendrian
kennen gelernt haben: Selbstbeobachtung – Selbstkontrolle – Selbstbewertung – Selbstverstärkung.
Wenn Sie sich in ähnlicher Weise Erfolgserlebnisse verschaffen, trainieren Sie die Gewohnheit, bestimmte Handlungen willentlich |273| auszuführen und den entgegenstehenden Gedanken oder Gefühlen keine allzu große Aufmerksamkeit zu schenken. Ihre Aufschiebemechanismen
liefen – bevor Sie Ihre Aufmerksamkeit auf sie lenkten – ja auch wie von selbst ab. Dieselbe Gewohnheitsbildung hilft Ihnen
nun bei der Veränderung. Vertrauen Sie darauf, dass die bewusst gesteuerte Aufmerksamkeit später durch automatisch ablaufende
Handlungsmuster ersetzt wird, wie Proust sie beschreibt:
»... der Wille, jener beharrliche, unentwegte Diener unserer einander ablösenden Persönlichkeiten; im Dunkel verborgen, verkannt,
doch unablässig treu, wirkt er unberührt von den Wandelungen unseres Ich unermüdlich daran, dass es diesem nur ja an gar nichts
fehle. Während in dem Augenblick, da eine langersehnte Reise Gestalt annehmen soll, Verstand und Gefühl sich zu fragen beginnen,
ob das Unternehmen wirklich die Mühe lohnt, lässt der Wille, der weiß, dass diese seine müßigen Herren die Reise sofort wieder
ganz wundervoll fänden, wenn sie nicht statthaben könnte, die beiden noch vor dem Bahnhof darüber diskutieren und allerlei
Hemmungen haben; er selber beschäftigt sich damit, die Fahrkarten zu besorgen und uns rechtzeitig zur Abfahrt ins Eisenbahnabteil
zu setzen. Er ist ebenso unbeugsam, wie Verstand und Gefühl veränderlich sind, aber da er schweigt, teilt er seine Gründe
nicht mit, er scheint fast nicht da zu sein; die anderen Teile unseres Ich aber folgen seiner festen Entschlossenheit, doch
ohne es zu merken, während sie deutlich vor sich nur ihre Unentschiedenheit sehen«. (4, S. 583)
Bei Aktionen, die Sie willentlich starten und durchhalten wollen, lauern ein paar Klippen, die Sie von vornherein umschiffen
können, wenn Sie Folgendes von ihnen wissen:
Möglicherweise stellen Sie fest, dass Sie keine Lust haben, ablenkende Gedanken zu notieren. Ursprünglich hatten Sie sich
aber auch nicht vorgenommen, Ihre Aufzeichnungen mit Lust zu vermerken, sondern nur, überhaupt etwas aufzuschreiben. Tappen
Sie nicht in die Falle, Ihre willensmäßig gesteuerte Handlung abzubrechen, weil Sie feststellen, dass Sie nicht mit Freude
bei der Sache sind. Bei willentlichen Aktionen können Sie oftmals keineBegeisterung erwarten. Lesen Sie den Abschnitt über
das Ertragen von unangenehmen Gefühlen im Kapitel
Null Bock
noch einmal durch.
Sie notieren zwanghaft jeden Nebenaspekt und verlieren sich in Details. Hüten Sie sich vor dem Perfektionismus, der Ihnen
hier in die Quere kommen könnte: Es geht nicht um eine vollständige Bestandsaufnahme |274| aller Ihrer
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