Schluss mit dem ewigen Aufschieben
möglichen Tipps ausprobiert haben, aber nicht lange und ausdauernd genug, und alles nichts genützt hat, dann
haben Sie unterschätzt, wie sehr Ihr Aufschieben als Symptom in Ihrem Leben eine wichtige Funktion erfüllt. Es kommt recht
häufig vor, dass Menschen sich in dieser Hinsicht irren und glauben, es reiche aus, sich mit etwas mehr Selbstdisziplin und
Arbeitstechnik auszustatten. Wenn Ihr Aufschieben jedoch in bewussten oder gar unbewussten Konflikten verankert ist, dann
stoßen Sie an Grenzen der Selbsthilfe. Es ist dann so, als ob Sie eine Boje, die am Meeresboden verankert ist, abschleppen
wollen. Sie können noch so heftig rudern, es gelingt Ihnen natürlich nicht. Als Faustregel gilt: Je mehr Sie das Gefühl haben,
das Aufschieben sei Ihnen eigentlich fremd und es als lästig erleben, desto bessere Chancen haben Sie, es aus eigener Kraft
zu überwinden. Je mehr es jedoch in Ihrer Lebensführung verwurzelt und zur zweiten Natur geworden ist, desto eher brauchen
Sie Hilfe von außen.
|279| Tipp: Lesen Sie die Abschnitte über die Gründe für das Aufschieben nochmals und identifizieren Sie im Kapitel
Jede Menge Stress
, welche emotionalen Probleme mit Ihrem Aufschieben verbunden sind. Sprechen Sie mit Freunden, Familienangehörigen oder Partnern
darüber. Wenn Sie bereits wissen oder jedenfalls ahnten, dass Sie ernsthaftere emotionale Probleme haben, sollten Sie eine
Beratungsstelle oder einen Psychotherapeuten aufsuchen.
Damit Sie von psychologischer Beratung oder Psychotherapie profitieren können, müssen Sie sich eingestehen, dass Sie diese
fremde Hilfe brauchen, und Ihren Stolz überwinden. Und der steht in einem ganz besonderen Verhältnis zum unkontrollierbaren
Aufschieben.
Jenseits der Selbstkontrolle
Die in diesem Buch präsentierten Selbsthilfetechniken unterstellen, dass Sie grundsätzlich ohne fremde Hilfe dazu in der Lage
sind, in einem hohen Ausmaß Ihr Verhalten selbst zu kontrollieren. Irrationale Einstellungen mögen Sie bisher in dieser Fähigkeit
ebenso behindert haben wie die eingeschliffene Gewohnheit, vor unangenehmen Gefühlen auszuweichen. Sicher haben Sie bislang
auch keine optimale Selbststeuerung praktiziert. Deswegen habe ich Ihnen Wege vorgestellt, wie Sie
Ihr Ich stärken können, indem Sie sich so akzeptieren, wie Sie sind;
auf dieser Grundlage Ihre wichtigsten Konflikte erkennen und lösen können;
sich realistische Ziele setzen können, die zu Ihnen passen und Sie motivieren;
mithilfe von optimaler Planung, Selbstorganisation und Zeitmanagement Ihre Vorhaben erledigen können.
Sicher stimmen Sie mir in der prinzipiellen Annahme zu, dass Sie Ihr Verhalten selbst kontrollieren und lernen können, sich
noch mehr und besser zu steuern. Was aber, wenn Ihnen gerade das konstant misslingt? Sie stehen dann vor einer Wahl: Entweder
verstärken Sie Ihre |280| Anstrengungen, sich selbst zu kontrollieren und haben dabei Erfolg. Oder Sie verstärken die Selbstkontrolle, haben dabei aber
dauerhaft Misserfolge. Dann könnte Ihr Aufschieben in seiner unbewussten Dynamik der Versuch einer Selbstheilung und nicht,
wie bisher angenommen, ein Versuch des Selbstschutzes sein. Wieso Selbstheilung? Nun, Sie müssen nur Ihre bisherigen Erfahrungen
ernst nehmen und die Idee aufgeben, dass Sie sich selbst kontrollieren können, damit Sie auf den Weg der Heilung geraten.
Sie würden sich dann als jemand betrachten, der
süchtig
nach dem Aufschieben ist, denn das bedeutet
unkontrollierbar
. Das Aufschieben ist Ihre Droge. Sie fliehen aus der harten Wirklichkeit, die Ihnen unerträglich vorkommt, in eine etwas
weniger schmerzliche, etwas angenehmere Realität. Vielleicht genießen Sie den Nervenkitzel, wenn Sie ausweichen und vertagen.
Sie haben ein Loch im Ich, das Sie mit dem Aufschieben plombieren. Das, womit Sie das Loch füllen, ist aber ebenso problematisch
wie Amalgam. Auf die Dauer wird Ihre Seele vergiftet. Sie stürzen vielleicht auch sozial ab. Sie wollen das Aufschieben aufgeben,
schaffen es aber nicht allein. Jeder Versuch, den Schlendrian abzustellen, führt bald zum Rückfall. Sie können sich in dieser
Hinsicht nicht kontrollieren. Sie brauchen Hilfe. Das einzusehen, ist leichter gesagt als getan, zumal zu Ihrem süchtigen
Aufschieben gehört, dass Sie nicht glauben, krank zu sein, sondern im Gegenteil annehmen, dass Sie sich
eigentlich
kontrollieren können. Kein Wunder, da doch in unserer Kultur die Fähigkeit zur
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