Schluss mit dem ewigen Aufschieben
Sternen, zeichnet sich Ihr Idealbild ab. Ein Abglanz davon fällt schon jetzt auf
Sie und nährt Ihre Selbstachtung ein wenig: Es klappt zwar nicht, aber Sie geben wenigstens Ihre hohen Ansprüche nicht auf.
Und auch nicht die Hoffnung, Ihrem Idealbild eines fernen Tages doch noch zu entsprechen. In der Gegenwart fürchten Sie jedoch
die Wahrnehmung, wie weit Sie noch von ihm entfernt sind. Ihre Selbstachtung ist durch diese Diskrepanz bedroht. Auch Beate,
Helmut und Anja schützen sich davor,
sich schämen zu müssen, weil sie dem eigenen Idealbild nicht entsprechen,
von anderen negativ bewertet zu werden,
von unkontrollierbaren Gefühlen überflutet zu werden.
Diese Befürchtungen werden durch irrationale Überzeugungen gestützt, nämlich:
die Auffassung, jederzeit kompetent und kontrolliert sein zu müssen,
die Auffassung, sich nur akzeptieren zu können, wenn man einem Ideal entspricht,
die Auffassung, dass andere Menschen einen fair behandeln und beurteilen müssen.
Solche Einstellungen führen zu Lernhemmungen. Als Folge davon hoffen Sie darauf, eines Tages perfekt zu sein, kontrolliert
und respektiert, tun aber zu wenig, um Ihre Kompetenzen zu verbessern oder sich mehr Anerkennung zu verschaffen.
Manche Aufschieber sind unglaublich hartnäckig. Sie geben ihre Vorhaben nicht auf. Und ab und zu kommt dann am Ende, nach
langer |82| Zeit des Abwartens, tatsächlich ein Ergebnis heraus, das alle Erwartungen übertrifft. So war es bei Proust, den nach langer
Trägheit ein schweres Asthma zum Rückzug aus der Gesellschaft des Fin de Siècle zwang. Dadurch steigerte sich jedoch das Motiv,
seiner begrenzten Lebenszeit das lange aufgeschobene Werk noch abzuringen, maximal:
»Ja, die Idee vom Wesen der Zeit, die ich mir gebildet hatte, sagte mir, es sei an der Zeit, mich an dies Werk zu begeben.
Es war höchste Zeit; aber, und das rechtfertigt die Angst, die sich meiner gleich beim Eintreten in den Salon bemächtigt hatte,
als die geschminkten Gesichter mir den Begriff der verlorenen Zeit vermittelten, war es wirklich noch Zeit, und war ich selbst
noch imstande dazu?« (Proust, VII, S. 489)
»Ich fragte mich nicht nur: ›Ist noch Zeit dafür?‹, sondern auch: ›Bin ich selbst noch dazu imstande?‹ Die Krankheit hatte
mir, als sie mich wie ein strenger geistlicher Berater der Welt absterben hieß, einen Dienst erwiesen ... Die Krankheit, die
mich vielleicht, nachdem die Trägheit mich vor allzu leichtem Schreiben geschützt hatte, gegen die Trägheit abschirmen würde,
diese Krankheit hatte meine Kräfte ... verbraucht.« (Proust, VII, S. 502)
Die lange Zeit des Abwartens hat den Proustschen Ich-Erzähler geschwächt, ihn aber auch dazu bewegt, viele lähmende Idealisierungen
aufzugeben, die darum kreisten, in der mondänen Welt des Adels einen wichtigen Platz einzunehmen. Er konnte sowohl seine eigene
Bedeutung wie die der maßlos überschätzten Blaublütigen immer mehr relativieren.
Leider hat die vergehende Zeit nicht immer diesen wohltätigen Effekt. Manche Menschen, die aufschieben, fixieren sich oft
gerade umgekehrt immer mehr auf ihre idealisierten Vorstellungen von sich, ihrem schon überfälligen Erfolg und der damit verbundenen
Anerkennung. Ihr inneres Bewertungssystem registriert ständig die Abweichungen vom Sollzustand und macht Druck in Form von
Selbstvorwürfen und Selbstverurteilungen. Zu der Angst vor äußeren Pleiten kommt die Furcht vor dem inneren Richter und seiner
Unerbittlichkeit. Wenn Sie versuchen, den Teufel Ihrer Trägheit mit dem Beelzebub der Selbstverurteilung auszutreiben, dann
haben Sie bald gleich zwei scheinbar gute Gründe, noch mehr als bisher aufzuschieben. Sie werden dann glauben, sich unter
Inkaufnahme negativer Gefühle und unangenehmer Folgen vor
vermeintlich
noch Schlimmerem zu schützen. Denn wenn Sie sich bereits Ihre Ängste vor Aufgaben und Ihr ständiges Ausweichen so krumm nehmen,
was werden Sie dann erst bei einem richtigen Versagen machen?
|83| Aufschieben als Selbstschutz
Wenn Sie sich freundlich gegenüberstehen und sich gerne dabei zuschauen, wie Sie Ihr Leben gestalten, dann haben Sie in sich
einen wohlmeinenden Beobachter. Er wird Ihnen signalisieren, was Sie machen und wie Sie es machen. Aus diesen Informationen
können Sie lernen und Ihre Sache das nächste Mal noch verbessern. Wenn Sie aufschieben, dann haben Sie in sich jedoch einen
nörglerischen Beobachter, dessen Aufmerksamkeit nicht
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