Schluss mit dem ewigen Aufschieben
Im Symptom des Aufschiebens setzen sich
gleichzeitig
angestrebte Triebbefriedigungen durch, aber auch Hemmungen und Verbote, sodass zwar ein bisschen Genuss, aber auch viel Reue
möglich sind.
Aus psychoanalytischer Sicht hat dabei das Ich des Menschen (das sind Sie, so wie Sie sich bewusst erleben, als steuernde
Instanz) die Aufgabe, Triebwünsche aus dem Es (dem Reservoir an Impulsen, Emotionen und Trieben) ebenso zu berücksichtigen
wie moralische Gewissensforderungen, Ge- und Verbote (die normative Instanz in Ihnen, die als Über-Ich bezeichnet wird). In
Ihrem Über-Ich lagern als Ansprüche auch die Vorstellungen darüber, wie Sie idealerweise sein sollten. Dieses Ich-Ideal kann
es in sich haben und Ihnen das Leben zur Qual machen! Wenn Sie ihm entsprechen, ist natürlich alles in Butter. Wehe aber,
wenn Sie Ihre realen Handlungen ständig mit Idealforderungen vergleichen und bei diesem Vergleich immer schlecht abschneiden.
Sie sollten sich gesünder ernähren und Ihr Idealgewicht anstreben, verlangt Ihr Über-Ich. Sie sind nur dann akzeptabel, wenn
Sie so toll aussehen wie Ihr Vorbild, lockt und droht Ihr Ich-Ideal. Aber ich will Schokolade, wendet Ihr Es ein. Ihr armes
Ich, das diese unterschiedlichen Forderungen integrieren muss, ist überfordert. Wenn Sie nun eine Essstörung entwickeln, in
der sich hemmungslose Fressanfälle mit dem Erbrechen der aufgenommenen Nahrung abwechseln, dann haben Sie einen neurotischen
Kompromiss geschlossen und ein Symptom entwickelt. Ihr Ich folgt einfach den jeweiligen Impulsen und Geboten und macht mal
das eine, mal das andere.
Wie Sie mit Konflikten umgehen, wird im Wesentlichen durch Ihre Persönlichkeitsstruktur bestimmt. Es gibt also narzisstische,
depressive, zwanghafte, phobische und hysterische Modi der Konfliktlösung. Je nach Konflikt sind diese Herangehensweisen mehr
oder weniger geeignet, eine gute Lösung herbeizuführen.
Aufschieben und Selbstmanagement
Egal, ob die aufschiebenden Personen gesund, gestört oder neurotisch konfliktbelastet sind, sie zeigen doch Gemeinsamkeiten
im Verhalten, besonders dann, wenn Schwierigkeiten bei einem Vorhaben auftauchen. Es fehlt ihnen an Fertigkeiten, um mit gewöhnlichen |136| und besonderen Störungen umzugehen. Sie beherrschen die Kunst des Selbstmanagements nicht ausreichend. Zu den Schwierigkeiten
gehören beispielsweise unklare oder unangemessene Anforderungen. Wenn Ihnen jemand ein Kreuzworträtsel in die Hand drückt
und sagt, Sie sollten mal sehen, wie Sie damit zurechtkämen, und in einer halben Stunde ein Ergebnis liefern, ist ziemlich
klar, was von Ihnen erwartet wird. Wenn Sie von sich selbst jedoch ein Marketingkonzept, die richtige Entscheidung über Ihre
Zukunft oder die Selbstverwirklichung schlechthin fordern, dann wissen Sie nicht, was Sie konkret tun sollen und die Wahrscheinlichkeit
des Aufschiebens steigt an. Ihre Intentionen koppeln sich von der Intuitiven Verhaltenssteuerung ab. Irgendwann legen Sie
impulsiv los, beginnen aber in Ihrem inneren Selbstgespräch, Druck zu machen, und können diese Gedanken nicht mehr stoppen.
Sie steigern Ihre Geschwindigkeit, statt sich Zeit zu nehmen, um Ihr Vorgehen zu planen. Ihre Geschäftigkeit reduziert unangenehme
Gefühle, hindert Sie aber daran, Ihre Aufmerksamkeit auf die ursprüngliche Aufgabe zu richten, da es Ihnen jetzt darum geht,
die unerwünschte Anspannung loszuwerden. Das Objekterkennungssystem wird aktiviert und der Zugang zum Selbst reduziert. Flüchtig
fällt Ihnen ein, dass Sie ausweichen. Sie fühlen sich bei diesem Gedanken äußert unwohl, also hören Sie damit auf, sich selbst
zu beobachten und zu bewerten. Damit allerdings können sich alle möglichen Impulse viel leichter durchsetzen. Ihnen passieren
Fehler, Sie vergessen etwas, sind unkonzentriert und verlieren den Spaß an der Sache vollends.
Vorher aber reißen Sie sich noch einmal zusammen. Sie wollen sich nicht unterkriegen lassen. Erst mal einen Kaffee trinken
und dann weitersehen. Dieser Versuch, die Kontrolle über Ihr Vorgehen zurückzugewinnen, geht daneben, denn Sie greifen zu
einem zu schwachen Mittel. Beim Kaffeetrinken denken Sie daran, wie schlecht Sie vorangekommen sind. Je länger die störenden
Impulse andauerten und je weniger Sie erreicht haben, desto stärker wird Ihre Tendenz, ablenkenden Impulsen zu folgen, und
zwar auch deswegen, weil Sie dadurch Schuldgefühlen entkommen können. »Ist die Figur erst
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