Schlussakt
Sorgwitz.«
»Beantworten Sie meine Frage!«
»Erst zurücknehmen.«
»Ich warne Sie, Koller«, zischte er und trat dicht vor mich
hin. An seinen Schläfen schwoll ein ganzes Bündel von Adern dick an. »Sie
treiben es zu weit. Ich kann Sie hier an Ort und Stelle festnehmen, aus den
verschiedensten Gründen. Also reißen Sie sich zusammen und beantworten Sie
meine Fragen.«
»Woher sollen wir wissen, warum Sie Blut an den Schuhen
haben?«, sprang mir Covet bei. »Sie sind uns eine Erklärung schuldig.«
»An Ihrer Stelle wäre ich erst recht vorsichtig«, schnauzte
ihn Sorgwitz an. »Weg da!« Er drängte uns aus der Küche, machte Licht in der
Diele und folgte seinen eigenen Spuren bis zu der Blutlache, in der er
gestanden hatte. Während er sich darüber beugte, zog er einen Kaugummi aus
seiner Tasche und steckte ihn in den Mund. Dann ließ er sich auf die Knie
nieder und besah sich den Fleck von nahem. Er glotzte und schnüffelte, und es
hätte mich nicht gewundert, wenn er das Blut aufgeleckt hätte. Seine Socken
waren an den Fersen durchgescheuert.
»Und?«, sagte er, sich aufrichtend.
»Wir sind ebenso überrascht und ratlos wie Sie, Herr
Sorgwitz.«
»Sie haben nichts von diesem Blut bemerkt, obwohl Sie seit
Stunden im Haus sind?«
»Wir sind vielleicht seit einer Viertelstunde hier und haben
kein Licht in der Diele gemacht. Da übersieht man schon mal etwas. Sie sind ja
fast in der Pfütze ertrunken, ohne es zu bemerken.«
»Damit kommen Sie nicht durch.« Seine Kiefer mahlten, genau
wie am gestrigen Morgen im Polizeirevier.
»Jetzt erklärt sich auch der blutige Waschlappen im Bad.«
»Der was?«
»Der blutige Waschlappen, den wir im Bad gefunden haben. Ist
doch klar: Der Einbrecher muss sich am Glas des Küchenfensters geschnitten
haben. Die Wunde blutet wie der Teufel, er stürzt ins Bad, presst einen
Waschlappen darauf, torkelt in die Diele, stolpert, fällt hin, er wird für
kurze Zeit ohnmächtig, sein Blut tropft ungehindert auf das Parkett, bildet
diese Lache, und als er schließlich …«
»Lassen Sie das!«, herrschte mich der Polizist an.
»Verschonen Sie mich mit Ihrer Horrorstory.«
»Eine Tragödie«, sagte ich. »Keine Horrorstory. Hier hat sich
eine Tragödie abgespielt, Herr Sorgwitz.«
Nun, vielleicht hatte es das. Inzwischen war sie längst in
eine Komödie übergegangen, und der Kampfhund spielte darin die Rolle des dummen
August. Er drohte uns wahlweise mit dem Zeigefinger oder mit sofortiger
Einbuchtung, sprach von Widerstand gegen die Staatsgewalt und, natürlich, von
›iewergeordneden bollezeilichen Inderässen‹. Dass er seine Drohungen in Socken
vorbrachte, machte die Sache nicht besser. Die Mentholwolke seines Kaugummis
schlug uns ins Gesicht, wenn er sich dicht vor uns stellte. Er verzog sich ins
Bad und untersuchte die beiden Lappen, die im Waschbecken herumlagen. Einer von
ihnen starrte noch von Covets Blut. Währenddessen füllte ich in der Küche ein
Glas Wasser, drückte es Marc in die Hand und schickte ihn ins Arbeitszimmer,
Nagels Pflanzen zu gießen. Bloß oberflächlich, dass man die Nässe auf den
ersten Blick sah.
»Und wenn das Ihr Blut ist?«, fragte Sorgwitz, in die Diele
zurückkehrend. »Vielleicht waren Sie ja der geheimnisvolle Einbrecher.«
»Warum sollten wir durchs Küchenfenster krabbeln, wenn wir
einen Haustürschlüssel besitzen?«
»Zeigen Sie mir den Schlüssel.«
»Marc, wärst du so freundlich?«, bat ich Covet, der eben
wieder zu uns stieß.
»Aber gerne.«
In dieser Tonlage debattierten wir noch eine ganze Weile.
Sorgwitz erkannte den Wald vor lauter Bäumen nicht, so sehr hatte ihn mein
Geschwätz aus dem Konzept gebracht. Er steckte seine Nase in die frisch
gegossenen Blumentöpfe, er probierte Covets Schlüssel gleich dreimal aus, aber
die Wunde an Marcs Hinterkopf übersah er. Am Ende kapitulierte er und bat
telefonisch um Verstärkung.
»Moment mal«, protestierte ich. »Das hier ist immer noch
Bernd Nagels Haus. Ohne dessen Einverständnis kommt niemand hier herein.
Besorgen Sie sich gefälligst seine Erlaubnis.«
»Bei Verdacht auf ein Gewaltverbrechen? Bei Ihnen piepts
wohl!«
»Was für ein Verbrechen? Wenn sich ein Einbrecher an
Fensterglas schneidet, ist das Ungeschick, aber kein Gewaltverbrechen.«
»Das werden wir sehen.«
»Ja, das werden Sie sehen, aber erst nach Rücksprache mit
Nagels Anwältin. Marc, informierst du Cordula?«
Covet nickte und zog sein Handy
Weitere Kostenlose Bücher