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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Brummschädel und dem
Übermaß an Magensäure.
    Wenigstens ging es anderen Leuten auch nicht besonders. Daran
erinnerte ich mich, als ich die Neckar-Nachrichten aufschlug. Der Mord
an Annette Nierzwa füllte ein Drittel der Titelseite. Dem Lokalteil war er eine
Extraseite wert. ›Aktuelles Thema‹ stand über dem Artikel, und prompt kam ich
ins Philosophieren. Über den Gang alles Irdischen, wo es anfängt, wie es endet
… heute noch Garderobiere, morgen schon aktuelles Thema. Weiter philosophierte
ich nicht, sondern widmete mich meinem Kaffee. Das Aspirin half, die
Kopfschmerzen verabschiedeten sich. Nur der Geschmack an den Zungenrändern
blieb.
    Frau von Wonnegut rief an,
aber ich hob nicht ab. Sie hatte mich bereits gestern in aller Frühe
gepiesackt, das musste reichen. Mein Anrufbeantworter übernahm die
Konversation. Viel mitzuteilen hatte sie ohnehin nicht, die greise Walküre,
wollte bloß plaudern, informiert werden, den Stand der Ermittlungen erfahren.
Aktuelles Thema. Ich trank den Kaffee aus, schüttete eine Flasche Mineralwasser
hinterher und fühlte mich wieder recht unternehmungslustig. Ein Blick aus dem
Fenster: Der Himmel hatte sich grau gefärbt. Ein trüber Tag würde das werden.
Die Luft roch nach Schnee.
    Gegen halb elf machte ich mich auf zum Theater. Neuer Tag,
neuer Eingang. Diesmal läutete ich an der rechtsseitig gelegenen Tür zum
Verwaltungstrakt und bat um Einlass. Auf der Treppe begegneten mir zwei Typen
mit Instrumentenkoffern, oben in Barth-Hufelangs Sekretariat diskutierte Bernd
Nagel mit einer energischen Blondine über Dienstpläne. Montäglicher
Routinebetrieb.
    »Also, das müssen Sie mit dem GMD ausmachen, nicht mit mir«,
hörte ich die Frau sagen. Sie trat so bestimmt auf, als herrsche sie schon seit
30 Jahren über dieses Büro, und das helle Blond ihrer hochgewellten Haare kam
aus der Tube. Um ihre Aussage zu unterstreichen, platzierte sie die
Goldrandbrille, die an einer langen Kette um ihren Hals hing, sehr weit vorne
auf ihrer Nase. Die Nase war eher kurz, aber schön spitz und energisch, so
recht eine Sekretärinnennase.
    »Guten Morgen«, sagte ich, in den Anblick von Brille und Nase
vertieft.
    Nagel nickte mir zu, die Sekretärin musterte mich wortlos.
Hinter ihr hing das Plakat eines Ballettabends mit lauter Tänzern in
Unterhosen. Seitlich ein rotes Schlüsselkästchen.
    »Gehen wir hier rein«, schlug der Geschäftsführer vor und
zeigte auf eine offene Seitentür. »Mein Zimmer ist noch versiegelt.«
    »Gerne.« Ich nickte der Sekretärin zu, die es allem Anschein
nach überhaupt nicht in Ordnung fand, dass wir unser Gespräch in die Gemächer
ihres Chefs verlegten. Barth-Hufelangs Dienstzimmer war ein großer Raum mit
Stuck und Kerzenleuchtern an den Wänden, etwas altbacken eingerichtet, aber
hell und gemütlich. An den Wänden ein paar Künstlerfotos, davor ein
Stutzflügel, ein Schreibtisch und eine Sitzecke mit Plüschsesseln. In einem
dieser Sessel nahm ich Platz, während Bernd Nagel es vorzog, am Fenster zu
stehen und seinen Blick schweifen zu lassen.
    »Gibt es etwas Neues?«, fragte er, ohne mich anzusehen.
    Ich runzelte die Stirn und schwieg. Irgendwo in der Ferne
heulte etwas auf, schwoll wieder ab. Feueralarm klang anders. Ein Krankenwagen?
Aber die fahren normalerweise nicht durch den zweiten Stock eines Gebäudes.
    »Kann es sein, dass wir
unter einem Probenraum sitzen?«, fragte ich, mit einem Finger zur Decke
zeigend.
    »Frau Andrejewna singt sich ein«, sagte Nagel und wandte sich
um. »Wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Ich bin entzückt«, grinste ich. »Wollte Musikern schon immer
mal bei der Arbeit zuhören.«
    »Also, was gibt es? Ich muss in einer halben Stunde im
Polizeipräsidium antanzen.«
    »Und? Was werden Sie der Polizei erzählen, wenn die nach
Ihrem Verbleib am Freitagabend fragen?«
    »Die Wahrheit. So, wie
ich es Ihnen erzählt habe.«
    »So, wie es auch der Koch der Ölmühle bestätigen kann.
Wie er es erst Ihnen und dann mir bestätigt hat.«
    Nagel schwieg.
    »Was haben Sie sich dabei gedacht, Herr Nagel? Wollten Sie
mir die Arbeit abnehmen?«
    »Ich wollte Gewissheit«, sagte er erregt. »Gewissheit, dass
wenigstens einer meine Angaben bestätigen kann. Soll ich den lieben langen Tag
nur rumsitzen und Däumchen drehen oder warten, bis Sie endlich in die Gänge
kommen?«
    »Oh, ich komme in die Gänge, ich bin längst dabei, nur
benutze ich meinen Verstand, bevor ich

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