Schlussblende
er. »Tja, sie hat mir also ein paar Fotos gezeigt, aber bei mir hat nichts geklingelt. Sie müssen bedenken, daß ich bei öffentlichen Auftritten bis zu dreihundert Autogramme oder mehr gebe, da bleibt einem kaum Zeit, auf andere Dinge zu achten.« Er starrte traurig auf seinen künstlichen Arm. »Ich kritzle sie hin, müßte ich eher sagen. Schreiben gehört zu den Dingen, mit denen ich mich schwertue.«
Wharton blickte betreten zu Boden und mußte unwillkürlich an den Volkstrauertag denken. Er überlegte krampfhaft, was er noch fragen könnte. »Wie hat DC Bowman darauf reagiert, Sir, daß Sie keines der Mädchen wiedererkannt haben?«
»Sie schien enttäuscht zu sein. Ja, und dann ist sie gegangen. Das muß – nun, so etwa um half elf gewesen sein.«
»Dann war sie etwa eine Stunde hier? Viel Zeit für so wenige Fragen.« Es war nicht Mißtrauen, was Wharton zu der Bemerkung veranlaßte, ihm fiel nur so schnell nichts Besseres ein.
»Ja, in der Tat«, gab ihm Vance recht. »Aber, sehen Sie, ich habe uns erst Kaffee gemacht, und dann haben wir ein wenig geplaudert. Immer dasselbe – alle wollen wissen, wie es bei
Besuch von Vance
hinter den Kulissen zugeht. Na ja, und dann mußte ich natürlich die Fotos durchsehen. Für so was nehme ich mir immer viel Zeit. Ich meine, vermißte Mädchen – das ist schließlich eine ernste Angelegenheit. Und wenn man da an die Familien denkt, die jahrelang nichts von ihren Kindern gehört haben. Das ist wirklich schrecklich.«
»Völlig richtig, Sir«, sagte Wharton bedrückt und wünschte, er hätte den Punkt lieber nicht angesprochen. »Äh – hat DC Bowman zufällig erwähnt, wo sie anschließend hinwollte?«
Vance schüttelte den Kopf. »Leider nein, Inspector. Ich hatte zwar den Eindruck, daß sie noch eine andere Verabredung hat, aber sie hat nicht gesagt, wo und mit wem.«
Wharton sah verblüfft hoch. Zum ersten Mal beschlich ihn das Gefühl, daß das Ganze vielleicht doch nicht nur eine pflichtgemäße Routinebefragung wäre. »Und was vermittelte Ihnen den Eindruck, Sir?«
Vance runzelte die Stirn, als denke er angestrengt nach. »Na ja, nachdem ich die Fotos durchgesehen hatte, habe ich gefragt, ob ich frischen Kaffee machen solle. Und da hat sie erschrocken auf die Uhr gesehen und gesagt, sie habe gar nicht gemerkt, daß es schon so spät sei, und sie müsse jetzt gehen. Was sie dann auch einige Minuten später tat.«
Wharton klappte sein Notizbuch zu. »Und was ich nun auch tun werde, Sir. Wir waren nahezu sicher, daß DC Bowmans Besuch bei Ihnen nichts mit ihrem Tod zu tun hat, aber wir müssen eben alle Möglichkeiten überprüfen.«
Vance begleitete Wharton und den Constable zur Haustür. Micky verfolgte die Szene vom Fenster aus. Sie hatte keine Ahnung, was Jacko vor den beiden Polizisten verbergen wollte, aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß er ihnen nicht das gesagt hatte, was man gemeinhin die volle Wahrheit nennt.
Als er ins Zimmer zurückkam, lehnte sie am Kamin. »Wirst du mir sagen, was du ihnen nicht sagen wolltest?«
Vance grinste. »Liest du mal wieder Gedanken, Micky? Ja, ich sag’s dir. Ich hab doch eines der Mädchen auf den Fotos der Bowman wiedererkannt.«
Micky machte große Augen. »Wirklich? Wieso? Woher?«
»Kein Grund zur Panik. Das war ganz harmlos. Ihre Eltern haben sich, als sie verschwunden war, an uns gewandt. Weil sie so ein großer Fan von mir gewesen sei und nie eine meiner Sendungen verpaßt habe – bla-bla-bla. Sie wollten, daß ich im Fernsehen an das Mädchen appelliere, sich mit den Eltern in Verbindung zu setzen. Das hab ich natürlich nicht getan, es hätte nicht in die Sendung gepaßt. Ich hab jemanden bei einer Boulevardzeitung gebeten, eine Story darüber zu bringen. ›Jacko bittet weggelaufenen Teenager: Melde dich bei deinen armen Eltern.‹«
»Warum hast du das Wharton nicht erzählt? Wenn’s in der Zeitung stand, stolpern die sowieso irgendwann darüber.«
»Ach was, die wußten doch nicht mal, was die Bowman von mir wollte. Und daraus, daß ich mal indirekt was mit einem von Gott weiß wie vielen weggelaufenen Mädchen zu tun hatte, können sie mir keinen Strick drehen. Nur, bei der Polizei sickert eben alles durch. Ich geh doch nicht das Risiko ein, in allen Sensationsblättchen ›Jacko unter Mordverdacht?‹ zu lesen. Hast du vergessen, daß ich ein Meister der Verschleierung bin?« Er kam zum Kamin und küßte sie auf die Wange. »Und noch was, Micky – versuche nie, einen
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