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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ritzte seinen linken Zeigefinger, und aus der Schnittwunde tropfte ein bißchen Blut. »Himmelarschundzwirn!« fluchte er, steckte den Finger in den Mund und fing an, daran herumzulutschen. Er sah Carol stirnrunzelnd an und murrte: »War Ihre Schuld.«
    »Meine Schuld?«
    »Klar. Weil Sie an der Zuverlässigkeit von Zeugen gezweifelt haben. Aber eine Kamera, das wäre doch eine unbestechliche Zeugin, oder? Ich meine die Überwachungskameras auf der Autobahn.«
    Leon schnaubte geringschätzig. »Erzählen Sie uns bloß nicht, daß Sie auch darauf reingefallen sind?« Und als Tony ihn verdutzt ansah: »Seite siebenundvierzig aus dem modernen Märchenbuch: Autobahnkameras überführen Verbrecher.«
    »Wie meinen Sie das? Ich hab das doch im Fernsehen gesehen. Polizeivideos von Fahrzeugverfolgungen.«
    Carol seufzte. »Die Kameras arbeiten ausgezeichnet, aber nur in bestimmten Situationen, und das meint Leon. Fest installierte Kameras schalten sich sowieso nur bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ein, erst ab Tempo neunzig. Und die Videos schalten sich nur bei einem Unfall oder einem größeren Verkehrsstau ein. Mit anderen Worten, die meiste Zeit arbeiten sie überhaupt nicht. Und selbst wenn sie’s täten, man benötigt eine ziemlich komplizierte Software, um aus den Aufnahmen etwas Beweiskräftiges herauszulesen.«
    »Da müßte Ihr Bruder sich doch auskennen«, meinte Simon. »Er ist doch Computerfreak, oder?«
    »Ja, das schon. Aber wir haben ja nichts, was wir ihm zeigen könnten. Und ich fürchte, wir werden auch nichts kriegen.«
    Tony ließ nicht locker. »Ich dachte, als die IRA das Zentrum von Manchester in die Luft gebombt hat, wurde die Fahrstrecke des Lieferwagens mit Hilfe von Autobahnvideos rekonstruiert?«
    Kay schüttelte den Kopf. »Sie hatten gehofft, mit Hilfe der Aufnahmen von Geschwindigkeitsüberschreitungen …« Sie brach mitten im Satz ab. Und plötzlich leuchteten ihre Augen auf.
    »Was ist?« fragte Carol.
    Kay war vor Aufregung ganz atemlos. »Private Überwachung mit Kassettenkameras. Erinnern Sie sich noch daran, wie die Polizei an die Besitzer von Tankstellen, Werkstätten und Schnellrestaurants appelliert hat, elektronische Überwachungsanlagen zu installieren? Wenn Shaz oder Vance unterwegs getankt haben, müßten sie irgendwo auf den Bändern sein. Shaz hatte bestimmt ihren Wagen vor der Fahrt aufgetankt, aber zurück nach Leeds hätte sie’s mit einer Tankfüllung nicht geschafft. Und ich glaube, sie werden eher an einer Autobahntankstelle gehalten haben, als wegen ein paar Litern Benzin von der Autobahn runterzufahren.«
    »Kommen wir an diese Bänder ran?« wollte Tony wissen.
    Carol stöhnte. »Rankommen ist nicht das Problem, die meisten Tankstellenpächter verhalten sich sehr kooperativ. Aber es dauert weiß der Himmel wie lange, alle in Frage kommenden Bänder durchzusehen. Ich kriege schon beim bloßen Gedanken daran eine Migräne.«
    »Nun, Carol, Sie wollte ich ohnehin bitten, mir bei dem Gespräch mit den Officern, die im Mordfall Barbara Fenwick ermittelt haben, Hilfestellung zu geben«, sagte Tony. Der Blick, mit dem er die drei anderen musterte, schien im voraus um Entschuldigung zu bitten. »Tut mir leid, wenn das klappen soll, muß ich schon mit einer ausgewachsenen Dienststellenleiterin anrücken. Wir dürfen die Jungs nicht vor den Kopf stoßen, indem wir ihnen den Eindruck vermitteln, sie hätten schlampig gearbeitet. Kurzum, darum werden Carol und ich uns kümmern. Worum ich Sie drei bitten möchte, ist, gemeinsam die Sisyphusarbeit mit den Videobändern zu übernehmen.«
    Die drei starrten ihn entgeistert an. Aber dann sagte Simon: »Okay. Vielleicht lebt Donna Doyle ja wirklich noch. Und selbst wenn nicht, geht’s um das Leben der nächsten.«
     
    Enthusiasmus kam nicht gerade auf, als Carol und Tony sich in der staubigen Registratur der Polizeistation von Buxton durch dickleibige Aktenordner wühlten, aber sie wußten beide, daß sie hellwach sein mußten, um nicht den womöglich entscheidenden Hinweis zu übersehen. Nach etlichen Stunden lehnten sie sich wie aufs Stichwort fast gleichzeitig zurück.
    »Leon scheint nichts übersehen zu haben«, sagte Tony. Er war froh, daß er sich bei seinem früheren Urteil über Leon ganz offensichtlich geirrt hatte. Man soll sich eben nie von äußerlicher Flapsigkeit zu Fehlschlüssen verleiten lassen, dachte er.
    Carol nickte. »Sieht so aus. Aber davon mußten wir uns wohl oder übel selbst überzeugen, bevor wir

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