Schmeckts noch
Magermilch (höchstens 0,3 Prozent Fett) und zu fettarmer Milch (1,8 Prozent Fett) wieder zusammengerührt. Es gibt also keine speziellen Kühe für die unterschiedlichen Milchsorten – der Mensch in der Molkerei mischt die Milch ganznach seinem Anforderungsprofil. Ließe man die Milch unberührt, dann hätte sie mit einem Fettgehalt um 4 Prozent so viele Kalorien wie eine Currywurst (1 Liter/600 kcal).
Buttermilch (maximal 1 Prozent Fett) verdankt ihren »fetten« Namen übrigens der Herstellung von Butter. Die magere Flüssigkeit, die übrigbleibt, wenn der Rahm entfernt wird, ist Buttermilch. Molke ist dagegen ein Nebenprodukt der Käseherstellung.
Joghurt & Co.: Hauptsache leicht, luftig und low fat
Joghurt gehört zusammen mit Buttermilch, Dickmilch und Kefir zu den gesäuerten Milchprodukten, und sie alle stehen im Supermarkt im Kühlregal, sehen trendy aus und versprechen ein langes Leben, starke Knochen, Fun & Fitness, aber vor allem eine schlanke Linie. Sie geben vor, die reine Unschuld vom Lande zu sein, dabei sind Joghurt & Co. heute dem Zeitgeist unterworfene Hightechprodukte. Mal kommen Joghurts – entweder »linksgedreht« oder »rechtsgedreht« – ganz »light« daher, dann wird für sie probiotisch mit Bakterien für die Darmgesundheit geworben und kurze Zeit später überrollt plötzlich eine »Wellness-Welle« die Kühlregale. Der Begriff »Diät« ist irgendwie zum lustfeindlichen No-Wort geworden und durch eine Flut von Fit-Fit-Fit-Formeln wie »vital« oder »pur« ersetzt worden. Die Sahnefraktion unter den Joghurts vegetiert ganz hinten im Kühlregal; nur hin und wieder findet sich jemand, der nicht abnehmen will und zugreift.
Im Milchparadies ist alles möglich, und die scheinbare Vielfalt wird je nach Saison noch um Sommer- oder Wintervariationen geschmacklich bereichert. Zu Weihnachten gibt es Zimt-, zuOstern Zitronengeschmack im Milchprodukt. Die Milchindustrie ist eine phantasievolle Wachstumsbranche. 2005 erreichte der Verkauf von Milchfrischprodukten knapp drei Millionen Tonnen. Die Zuwachsrate lag allein für Joghurt bei 5,5 Prozent. Über 1,6 Millionen Tonnen Joghurt wurden gegessen, wobei Joghurts mit 0,2 Prozent und weniger Fett mittlerweile 17 Prozent des Gesamtmarkts ausmachen.
Joghurt, der gar keiner ist
Ob Joghurt stichfest, cremig oder flüssig ist, hängt nicht nur von den Reifungskulturen ab. Stichfester Joghurt ist im Becher gereift, während Rühr- und Trinkjoghurts in großen Tanks säuern und dann abgefüllt werden.
Der Verbraucher futtert etwa 17 Kilogramm Joghurt im Jahr – oder, besser gesagt, das, was er für Joghurt hält. Denn der Begriff ist eng an zwei Bakterienstämme gekoppelt, einer davon ist Streptococcus thermophilus – der Wärmeliebende. Bei Temperaturen zwischen 40 und 43 Grad blüht Thermophilus auf, dann wächst er prächtig und fühlt sich so richtig wohl. Er wird im Joghurt gemeinsam mit dem Klassiker Lactobacillus bulgaricus eingesetzt. Wie gute Freunde fördern und ergänzen sich die Bakterien gegenseitig und säuern dabei die Milch wie die Weltmeister.
Der »echte« Joghurtgeschmack, der beim Einsatz dieser beiden Klassiker herauskommt, ist dem Gaumen vieler Verbraucher aber einfach zu sauer. Drei Viertel aller Joghurtfreunde greifen deshalb lieber zu »Joghurt mild«-Produkten. Um den »milden« Geschmack zu erzielen, werden jedoch völlig andere Bakerienstämme eingesetzt. Lactobacillus acidophilus und bifidus schmeicheln den Rezeptoren auf der Zunge und kurbeln den Verkauf in deutschenSupermärkten an, doch die beiden Bakterien haben einen Haken: Sie sind schuld daran, dass der »Milde« im Ausland nicht als Joghurt vermarktet werden darf. Denn »Joghurt« ist definiert durch »thermophilus und bulgaricus«. Jenseits deutscher Landesgrenzen darf der beliebte »Joghurt mild« deshalb nur als »fermentiertes Milchprodukt« bezeichnet werden – und das klingt extrem unsexy.
Doch im Joghurtgeschäft ist man findig, und dank vieler fleißiger Forscher ist einiges möglich. Mikrobiologen haben im Labor den Bulgaricus-Stamm so bearbeitet, dass er mutiert ist und dadurch wesentlich weniger sauer, ja sogar angenehm mild schmeckt. Das heißt: Für »milden« Joghurt wären die Grenzen zum inter nationalen Markt geöffnet. Er kann mit reinem Gewissen ins Ausland verkauft werden. Ob der Forschererfolg am Institut für Mikrobiologie der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Kiel eines Tages auch von der
Weitere Kostenlose Bücher