Schmeckts noch
trennen.
Auch Ökokäse wird heute vorwiegend in Großbetrieben hergestellt, doch viele Zusatzstoffe wie Natamycin dürfen nicht verwendet werden. Außerdem ist der Einsatz von gentechnisch hergestelltem Lab (Chymosin) verboten. Dass die Kühe, die die Milch für den Käse liefern, vernünftig gehalten werden, versteht sich von selbst.
Industriekäse hat mit dem Naturprodukt aus Rohmilch nur noch wenig gemein. Während heute ein »Leerdammer Yoghu« mit markigen Worten gefeiert wird, weil er nach Joghurt schmeckt, gehen individuelle Sorten wie der Kerntaler Schnittkäse, in dem neben Thymian auch Basilikum den Geschmack verfeinert, verloren. Ein Geheimnis seines Geschmacks war – neben der Basilikumsorte, über die die Milchbauern streng wachten – die Milch: Für den Kerntaler kam sie vom Angler Rind.
Die Milchmacher
Milch und Milchprodukte stehen auf der Einkaufsliste der Deutschen ganz oben und gehören mit Brot und Wurst zu den beliebtesten Lebensmitteln im Lande. 75 000 Tonnen Milch werden jeden Tag verarbeitet. Davon trinkt der statistisch relevante Durchschnittsdeutsche ein kleines Glas am Tag. Im Jahr kommt jeder Deutsche so auf etwa 63 Liter. Milch ist billig: Musste ein Arbeitnehmer vor 30 Jahren noch zehn Minuten für einen Liter Milch arbeiten, sind es heute gerade mal drei Minuten. Beim Discounter an der Ecke kostet ein Liter manchmal unter 30 Cent, ein Spottpreis! Trotzdem setzt die Milch- und Molkereiwirtschaft jedes Jahr über 21 Milliarden Euro in Deutschland um. Doch die kleinen Hersteller stöhnen, denn die Preise am Markt decken nicht einmal ihre Produktionskosten. Die Milchmädchenrechnung der Discounter geht für kleine Milchbauern nicht auf.
Frisch gezapft und unverarbeitet ist Milch ein leicht verderbliches Lebensmittel. Was früher einfach »Kuhmilch« hieß, heißt heute »Rohmilch« und wird mit Warnhinweisen versehen und fast wie ein Gefahrengut behandelt. Nach dem Melken wird Rohmilch gefiltert und gekühlt – fertig! Kein Homogenisieren, Pasteurisieren, Sterilisieren, Ultrahocherhitzen und Einstellen des Fettgehalts. Dem großstädtischen Milchtrinker und vor allem den Großmolkereien ist das suspekt, und folglich wird Schwangeren und Schwachen, Alt und Jung vom Rohmilchkonsum dringend abgeraten, obwohl sie einen deutlich höheren Anteil an den Vitaminen B 1 , B 6 , B 12 , Folsäure und Vitamin C hat. Die Angst vor Mikroorganismen treibt in unserer Gesellschaft oft seltsame Blüten. Wie haben die Sumerer vor 5000 Jahren den Angriff der Killer-Milchbakterien nur überlebt? Archäologen fanden Tontafeln, die belegen, dass schon die Bewohner der Stadt Ur Milch getrunken haben – und die war gewiss nicht ultrahocherhitzt …
Rohmilch gibt es auch heute noch, aber sie ist zum Randprodukt der Ökos und Hofläden geworden. Statt dessen gibt es pasteurisierte Frischmilch, die 20 Sekunden lang auf 75 Grad erhitzt wurde. Sie büßt dabei rund zehn Prozent ihrer B-Vitamine ein. H-Milch, die auf 135 Grad erhitzt und homogenisiert wird, verliert gleich die doppelte Vitaminmenge, ist dafür aber ungeöffnet mindestens acht Wochen haltbar.
Milch ist ein streng kontrolliertes Produkt, denn im Kuhstall können allerlei Schweinereien passieren: Durch feuchte Silage oder Euterentzündungen können Keime in die Milch kommen, auch Reste von Tierarzneimitteln tauchen immer wieder in der Milch auf und müssen eliminiert werden. Die Keimzahl ist ein Gradmesser für die Hygiene im Stall, die Zahl der Immunzellen (sogenannte somatische Zellen) ein Indikator für den Gesundheitszustand der Kuh. Molkereien sind heute steriler als ein Krankenhausbetrieb, die Mitarbeiter sind ständig auf der Suche nach Keimen. Wenn sie fündig werden, wird die Milch vernichtet. In der Milchverordnung ist alles exakt festgelegt.
Was aus vielen Millionen Zitzen abgezapft wird, fließt in Molkereien zusammen und wird dort in ein standardisiertes Industrieprodukt verwandelt. Bei 6000 Umdrehungen pro Minute wird den letzten Keimen in einem Separator, einer speziellen Zentrifuge, der Todesstoß versetzt. Die Milch wird dabei auf 50 Grad erwärmt, denn im warmen Schleudergang trennen sich Magermilch und Sahne leichter. In der Zentrifuge wird die Magermilch nach außen geschleudert, während die Sahne sich im Innern des Separators sammelt. Dann wird der Fettgehalt »eingestellt«, das heißt, die einzelnen Bestandteile (Magermilch und Rahm) werden je nach dem erwünschten Produkt zu Vollmilch (mindestens 3,5 Prozent Fett),
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