Schmeckts noch
gleich schmeckenden Lebensmittel geworden. Keimfrei und banal, ein Laib ohne Seele.
Damit aus pasteurisierter Milch Massenkäse gemacht werden kann, kommen die Milchsäurebakterien und Reifekulturen aus dem Labor. »Sie imitieren den typischen Käsegeschmack nur«, sagt Otto Geisel, Vorsitzender von Slow Food Deutschland. »Je mehr Technik, um so weniger Geschmack!«
Guter Käse reift unter den Händen eines Affineurs zur Vollendung. Der Affineur, wie der Beruf des »Käseverfeinerers« heißt, bringt frischen Käse aus kleinen Käsereien unter idealen Verhältnissen zur perfekten Reife. Dabei spielen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und vieles mehr eine Rolle, denn Bakterien sind empfindliche Wesen, die sofort auf Veränderungen reagieren. Affineure bürsten, klopfen und waschen ihre Käse regelmäßig, um das optimale Aroma zu erreichen. Sie arbeiten nicht nur mit Salzwasser, sondern auch mit Wein oder Bier, um bestimmte Bakterien zu fördern. Bei anderen Sorten pflegen sie die gleichmäßige Schimmelflora. Für Feinschmecker ist Käse immer eine regionale Spezialität, die im Norden eines Landes ganz anders schmeckt als im Süden. Denn auch Bakterien sind regionale Wesen, die von den Bodenverhältnissen ihrer Heimat, von Wind und Wetter abhängig sind.
Industriekäse dagegen wird nicht vom Affineur gewaschen, sondern allenfalls wie in einer Autowaschanlage von rotierenden Bürsten gescheuert. Die industrielle Käseerzeugung wurde durch Louis Pasteur erst möglich, der im 19. Jahrhundert erkannte, dass Mikroorganismen für Reife-, aber auch für Fäulnisprozesse verantwortlich sind und dass man sie durch Erhitzen abtöten kann.
»Mit der Fabrikkäseproduktion kamen immer mehr chemische Zusatzstoffe zum Einsatz«, sagt Lutz Ribbe. Die Schutzschicht aus Wachs, unter der einige Käse unter Luftabschluss ihrem faden Geschmackentgegenreifen, gehört da noch zu den harmlosen Methoden. Farbstoffe wie Betacarotin oder Lactoflavin, Salze wie Natriumnitrat (Salpeter, E 251), Enzyme wie Lysozym (E 1105) und Konservierungsmittel wie Sorbinsäure oder Natamycin (E 235) sind in Käsefabriken ständig im Einsatz.
Fabrikkäse – ohne Zusatzstoffe nicht denkbar
Natamycin ist ein Stoff, den die Humanmediziner als Antibiotikum unter anderem gegen Fußpilz verschreiben. Es wirkt antibiotisch gegen Schimmelpilze und wird zur Oberflächenbehandlung von Käse eingesetzt. Der Laib wird etwa drei Sekunden in eine natamycinhaltige Lösung getaucht. Verbraucherschützer wettern schon seit langem gegen Natamycin, weil Arzneimittel generell nicht bei Lebensmitteln angewendet werden sollen. Außerdem gelangt der Stoff beim Schneiden des Käselaibs leicht auf die Schnittfläche und mit dem Käse dann aufs Brot. Obwohl Natamycin nur von außen an der Oberfläche der Rinde bleiben soll und nicht tiefer als fünf Millimeter eindringen darf, wurde das Mittel auch schon in den tieferen Schichten eines Käselaibs nachgewiesen. Deshalb wird empfohlen, die Rinde großzügig abzuschneiden und auf keinen Fall mitzuessen. Die Kennzeichnung »Oberfläche mit Natamycin behandelt« ist Pflicht.
Nitrat wird bei der Fabrikkäseproduktion gleich mit in die Kesselmilch gegeben, um sogenannte Spätblähungen bei Hartkäse und Schnittkäse zu verhindern. Die Gase im Käse werden durch die gefürchteten Clostridien ausgelöst. Das sind Sporen, die die Pasteurisation überleben und im Käselaib faustgroße Hohlräume bilden können. Auch Lysozym wirkt gegen Spätblähungen und macht gemeinsam mit dem Nitrat all die Hygienefehler wieder gut, die beim Füttern und Melken in den Massenställen passieren.
Kalziumchlorid wird eingesetzt, um die Gerinnungsfähigkeit der Milch zu erhöhen, die durch das starke Herunterkühlen und durch die Pasteurisierung gelitten hat.
Carotinoide gleichen die Farbe des Käses an, damit er immer schön gleichbleibend gelb aussieht. Außerdem vermindern Carotinoide den Fettverderb, weil sie leicht oxidieren.
Schmelzsalze sind eine Mischung aus Natrium-, Kalium und Kalziumcitraten, die gemeinsam mit Phosphaten dafür sorgen, dass Hartkäsereste oder minderwertige, beschädigte Käse (zum Beispiel solche mit Rindenfehlern) zu Schmelzkäse »verschmolzen« werden. Die Käse werden entrindet, zerkleinert und gemahlen. Zusammen mit den Schmelzsalzen, Wasser und anderen Zutaten wie beispielsweise Sahne wird der Käse erhitzt. Die Salze stabilisieren die Käsemasse und verhindern, dass sich Fett, Wasser und Eiweiße wieder voneinander
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