Schmeckts noch
der Welt, hat sich der rohe Fisch mit Reis heute bis in die Vorstädte hinein seinen festen Platz in der bundesdeutschen Gastronomieszene erobert. Ob Nigiri, Maki oder Sashimi, gerollt oder fein geschnitten und auf Reis drapiert – das japanische Fischfastfood ist voll im Trend.
Mast im Meer
Der Fisch in den Weltmeeren wird dramatisch weniger. Was tun? Kann man nicht einfach eine Art Aquarium im Meer bauen, Fische darin aussetzen und sie füttern, bis sie fett und schlachtreif sind?
Die Grundidee ist nicht neu: Bereits 475 v. Chr. hat ein chinesischer Geschäftsmann mit einer Karpfenzucht sein Geld verdient und ist in die Geschichte eingegangen, weil er das erste »Lehrbuch der Aquakultur« geschrieben hat. Im Mittelalter begründeten Mönche in Europa die moderne Teichwirtschaft. Aber »wilde« Meeresfische zu züchten und in Käfigen zu halten ist relativ neu. Vor ungefähr 30 Jahren wurde die Idee in Norwegen erstmals professionell umgesetzt, als man die ersten Aquakulturen für Lachse anlegte. Heute kommen weltweit bereits über 700 000 Tonnen Lachs aus der Massenproduktion. Gut die Hälfte davon wächst in Norwegen heran, aber auch irische, schottische und chilenische Fischfarmen sind mit Zuchtlachs auf dem deutschen Markt vertreten.
Längst ist der Lachs nicht mehr die einzige Art, die im Käfig aufwächst: Wolfsbarsche und Meerbrassen, Steinbutt und Heilbutt werden auf Fischfarmen gehalten – insgesamt sind es neben Muscheln und Garnelen über 200 Fischarten. Sogar der Kabeljau soll bald aus dem Käfig kommen. Schon heute wird bereits ein Drittel der Weltproduktion, das sind über 33 Millionen Tonnen Fisch, in Aquakulturen produziert. Das Geschäft mit Farmfisch ist eine Boombranche. Prognosen sprechen bereits davon, dass bis 2050 die Hälfte aller Speisefische aus Netzgehegen stammen wird.
Mit dem Lachs fing alles an. Er liegt auf der Liste der beliebtesten Fische bei den Deutschen gleich hinter Seelachs. Der ist übrigens trotz seines Namens nicht mit »Salmo salar« (so der zoologische Name des Lachses) verwandt, sondern mit dem Dorsch. Außerdem lebt der Seelachs im Meer und geht den Fabrikschiffenins Netz, während Bruder Lachs mehrheitlich in der Mast dahinvegetiert. Der Jahresverbrauch an Lachs liegt in Deutschland bei rund 100 000 Tonnen; knapp die Hälfe davon wird in norwegischen Aquafarmen fett.
Lachs ist zum allzeit verfügbaren Supermarktbilligfisch verkommen. Früher war er als Delikatesse begehrt, und man nahm den »König der Fische« nur mit Hochachtung in den Mund, doch heute ist der einstige Edelfisch von den feinen Tafeln verstoßen. Er wird als »Masthühnchen der Meere« beschimpft und verschmäht. Seit 200 Gramm »Smoked Salmon« in Folie eingeschweißt für knapp 2 Euro zu kaufen sind, bleiben beim Feinschmeckerbüfett die Lachskanapees liegen. Gourmets klagen pikiert über »fischigen« Beigeschmack, »flaches Aroma« und »musiges«, weiches Fleisch sowie breite Fettstreifen – ein Zeichen dafür, dass der Fisch sich zu wenig bewegt hat und zu schnell gemästet wurde. »Bloß kein Lachs«, dröhnt die feine Gesellschaft einstimmig und verächtlich. Allenfalls wilder Lachs aus den Fanggründen des Pazifiks hat noch Zugang zu den Gourmettempeln.
Der Untergang des Fischadels derer von Salmo salar wurde besiegelt, als der König in den Käfig gesperrt wurde. Die erste Generation der Käfiglachse hat das Image des Edelfischs schwer beschädigt. Die freiheitsliebenden Wandervögel unter den Fischen – sie werden in Flüssen geboren, schwimmen dann fünf Jahre im Meer herum, um zum Laichen wieder in ihren Heimatfluss zurückzukehren – dümpelten in den siebziger Jahren erstmals durch verdreckte Aquakäfige. Sie vegetierten in ihrem eigenen Kot und wurden hinter einer Wolke angefaulter Futter reste krank. Gequält von Parasiten wie der Lachslaus, einem gepanzerten Ruderfußkrebs, der die Fische bei lebendigem Leib anfrisst und dabei eitrige Geschwüre hinterlässt, litten die ersten Farmlachse zu Tausenden in den gigantischen Netzställen ihrem Ende entgegen. Sie hatten Hautkrankheiten, Flossenfäule und deformierte Mäuler, mussten gegen allerlei Krankheiten jede Menge Antibiotikaschlucken und kamen dann nach zwölf Monaten mit rund vier Kilo Gewicht unters Schlachtermesser. Der flotte Fisch, der in der Natur mühelos gegen die Strömung flussaufwärts schwimmt und mit großen Sprüngen Stromschnellen überwinden kann, bekam in der Fischfarm einen Hängebauch und
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