Schmeckts noch
Jungfische, »falsche« Arten und verletzte oder verstümmelte Fische, aber auch Vögel, Schildkröten und Meeressäuger. Weltweit sterben nach Schätzungen von Greenpeace über 300 000 Delphine und Wale als Beifang in den Netzen der Fabrikschiffe. In der Garnelen- und Krabbenfischerei liegt die Beifangquote sogar bei rund 80 Prozent, bei Plattfischen sind es über 40 Prozent, bei Thunfisch gehen 15 Prozent an Beifang ins Netz – häufig sind es Delphine, die den Thunfischschwärmen folgen und dann elendig in den Netzen ertrinken oder ersticken.
Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, die FAO, schlägt Alarm und warnt vor der Überfischung der Weltmeere. Seit Anfang 1960 hat sich der Fischkonsum mehr als vervierfacht. Weltweit sind 3,5 Millionen Fischereifahrzeuge unterwegs, um den wachsenden Hunger zu stillen, darunter mehr als 38 000 Fabrikschiffe mit 100 Bruttoregistertonnen (BRT) und über 24 Metern Länge. Diese Giganten fangen 60 Prozent aller Fische. Die deutsche Flotte ist mit ihren 13 Fang- und Verarbeitungsschiffen und etwa 2250 kleinen Kuttern praktisch bedeutungslos. Vier Fünftel der Fische auf dem deutschen Markt sind Importware. Die großen Trawler der internationalen Flotten fahren für die Vereinigten Staaten, Japan, Island, Norwegen, Dänemark, die Niederlande, Spanien, Frankreich, Russland, China, Chile und Peru. Die größten Fabrikschiffe sind über hundert Meter lang und können bis zu 7000 Tonnen Fisch in ihrem stählernen Bauch fassen. Sie bleiben mehrere Wochen auf See – so lange, bis ihre Lagerräume gefüllt sind.
Deshalb steht das Ökosystem Ozean an allen Ecken der Erde kurz vor dem Kollaps. Von den insgesamt 20 000 Fischarten sind über 90 Prozent genießbar. Etwa 70 Prozent aller Fischbestände auf den Weltmeeren werden ausgebeutet, und 28 Prozent der weltweit wichtigsten Fischbestände gelten heute nach einer Schätzung der FAO bereits als erschöpft, andere sind stark dezimiert. Die Fangquoten sind zu hoch, Überfischung wird staatlich gefördert. Über 15 Milliarden US-Dollar fließen weltweit Jahr für Jahr in die Subventionierung der Fischerei.
Es wird weitergefischt, als gäbe es kein Problem. Wenn Fanggründe keinen Kabeljau mehr hergeben, zieht die Meute der industriellen Ausbeuter mit ihren Fabrikschiffen einfach weiter, und es wird eben Alaska-Seelachs (auch »Alaska-Pollack« genannt) im Pazifik gefangen und vermarktet. Als die Kabeljaubestände vor den Grand Banks vor Neufundland in den siebziger Jahren plötzlich leergefischt waren, war das Entsetzen unter den örtlichenFischern groß. Niemand hätte es je für möglich gehalten, dass das glitzernde Eldorado aus Fischleibern endlich ist.
Doch der Schock war nur von kurzer Dauer. Technische Lösungen mussten her, damit sich die Netze wieder füllen. Von den Militärs wurden Hightechgeräte übernommen, die es ermöglichten, den Vernichtungsfeldzug gegen die Fische unbarmherzig fortzuführen. Wer beim Beruf des Fischers an niedliche Netze und die putzigen Angeln aus Kinderbüchern denkt oder »Käpt’n Iglo«-Werbung vor Augen hat, liegt völlig falsch. Hochseefischerei gleicht heute moderner Kriegsführung. Satellitengestützte Systeme und Bordcomputer berechnen Planktonverteilung und Wassertemperatur, um die Fischvorkommen vorauszuberechnen und auszuloten. Sonare orten ganz präzise, wo sich die Schwärme befinden. Das Echolot erfasst einen Schwarm von allen Seiten und liefert dem Skipper auf der Brücke ein exaktes 3-D-Bild der Fischleiber. Der Kapitän sieht, wie die Fische als rote Punkte oder Striche im Netz verschwinden. Kabellose Sonden melden ihm den Füllgrad des Netzes. Nichts bleibt mehr dem Zufall überlassen. Gegen Militärtechnik haben kleine Fische keine Chance.
Netze sind heute perfekte Fangmaschinen, die die Pyramiden oder den Kölner Dom locker einwickeln könnten. Einige sind 300 Meter breit, gut 150 Meter hoch und kosten je nach technischer Ausstattung weit über 200 000 Dollar. Mit solchen Netzmonstern gehen die Fabrikschiffe zum Beispiel auf Rotbarschjagd im Nordatlantik. Ein guter Fang wiegt 60 Tonnen und mehr.
Es gibt unterschiedliche Netzsysteme. Die Langleinenfischerei arbeitet mit beköderten Haken, die genau in der gewünschten Tiefe hängen. Eine einzige Leine in der großindustriellen Fischerei kann 100 Kilometer lang sein. Bei all den vielen Fabrikschiffen kommen in einem Fanggebiet manchmal mehrere tausend Kilometer Leine mit vielen Millionen Haken zusammen. Trotz
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