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Schmeckts noch

Titel: Schmeckts noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Goris
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verkrüppelte Flossen.
    Die »blaue Revolution« schien gründlich schiefgegangen zu sein. Die Stimmen der Kritiker wurden immer lauter. Aus den Lachsfarmen, die meist in offenen Buchten lagen, driftete ein gefährlicher Cocktail aus Giften und Fäkalien ins offene Meer, denn auf dem Boden der Mastfarmen sammelte sich, was von der Fischzucht oben übriggeblieben war: Fäkalien, verwesende Fische, Futterreste und Gifte wie Algizide, Herbizide und Fungizide, die gegen Algen, Bakterien und Pilze eingesetzt worden waren. Naturschützer beklagten zudem den enormen Einsatz von Fischmehl. Um ein Kilo Lachs zu produzieren, mussten vier Kilo Fisch in Form von Fischmehl verfüttert werden. Viele Millionen Tonnen kleiner Schwarmfische, Sandaale, Sprotten und Sardinen landeten nicht auf den Tellern der Menschen, sondern in Fischmehlfabriken – für Umweltschützer eine kriminelle Verschwendung des hochwertigen Nahrungsmittels Fisch. Hinzu kam die Angst vor den sogenannten Escapees (vom englischen »escape« = entkommen). Schätzungen sprechen von vielen hunderttausend Mastlachsen, denen pro Jahr die Flucht aus den Netzkäfigen gelang. Sie brachten Läuse und all die vielen Krankheiten zu ihren wilden Verwandten und gefährdeten damit die letzten der eigenen Art.
    Doch die Fischfarmer haben gelernt. Noch immer sind die Anlagen nicht unumstritten, aber einiges hat sich verbessert. Die Netze sind ausbruchsicherer, aber auch weich und flexibel, damit sich der Mastkönig nicht verletzt. Gegen die Läuse werden Lippfische eingesetzt. Das sind kleine Putzerfische, die den Lachsen die Parasiten von den Schuppen picken. Aber ganz ohne Chemie ist die Laus auch heute noch nicht effektiv zu bekämpfen.
     
Ein Computerprogramm legt die Lachsfarbe fest
     
    Das Futter wird genauer dosiert als früher. Ein Computer berechnet exakt die Menge der benötigten Pellets. Das sind die Futterkügelchen, die zu 45 Prozent aus Fischmehl, Fischöl, Ballaststoffen und Mineralstoffen gepresst werden. Vermehrt werden dabei pflanzliche Fette und Proteine statt Fischmehl eingesetzt. Gut ein Kilogramm Futter ist nötig, um ein Kilogramm Lachs zu erzeugen. Per Unterwasserkamera werden die Lachse überwacht. Wenn sie nicht mehr fressen, wird die Futterzufuhr automatisch abgestellt. Wer schwächelt oder krank ist, wird aus dem Bestand entfernt und vorzeitig getötet. In Norwegen, mit über 850 Mastaanlagen und 300 Anlagen zur Jungfischaufzucht weltweit der größte Exporteur von Lachs, ist der Einsatz von Antibiotika gesetzlich geregelt und reglementiert: An eine Tonne Fisch dürfen insgesamt höchstens fünf Gramm Medikamente verabreicht werden.
    Die Lachszucht beginnt im Eimer, in dem Fischeier und Lachsmilch vermischt werden. Gegen das Erkrankungsrisiko bekommen die Fischchen später eine Kombiimpfung in den Bauch. Dafür wird jedes Tier einzeln in die Hand genommen und bekommt eine Spritze. Ein Mitarbeiter einer Lachsfarm impft am Tag etwa 10 000 Fische.
    Der Käfiglachs ist heute ein durchkalkuliertes Produkt, bei dem nichts dem Zufall überlassen wird. »Und der Käufer kann alles bestimmen«, sagt Terje E. Martinussen, Fischereiattaché des norwegischen Seafood Export Councils. Beispielsweise die Farbe der Fische. Damit die Lachse wunschgemäß erröten, wird Astaxanthin verfüttert, ein aus Algen gewonnener natürlicher Farbstoff, der auch die Rotfärbung von Krebsen bewirkt. Auf dem asiatischen Markt liebt man den Lachs knallrot: Auf der Farbskala des Fütterungscomputers ist das die Nummer 16. Das deutsche Farbempfinden bei Lachsen liegt im rosaroten Mittelfeld, da meldet derComputer die Nummer 15. Fischereiattaché Martinussen betont, dass die Farbe kein Qualitätsmerkmal ist. Und dass tiefroter Lachs »besser schmeckt«, sei reine Einbildung. Die wildlebenden Verwandten nehmen den Farbstoff Astaxanthin übrigens beim Fressen von Schalentieren mit dem Panzer von Krebsen und Garnelen auf. Auch der Fettgehalt im Fisch, die begehrten Omega-3-Fettsäuren, kann übers Futter gesteuert werden, genauso wie die Vitamine.
    Geht das Lachsleben dem Ende entgegen, wird das Netzgehege komplett entleert. In Spezialbooten reisen alle schlachtreifen Lachse zur Fischverarbeitung, dem Schlachthof der Lachse. Der Fisch soll möglichst wenig Todesangst haben, denn sonst wird sein Fleisch durch den Stresshormonschub weich und matschig. Um den Lachs zu beruhigen, wird das Wasser in seinem Becken bis auf 1 Grad heruntergekühlt. Das macht wechselwarme Fische träge und

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