Schmeckts noch
»Ballett« kniehoch im Feld stehen, kommen die Erntemaschinen. Nach der Rohwarenkontrolle werden die Blätter in Reinigungstrommeln vom gröbsten Dreck wie Steinen und Sand befreit. Dann geht es ins Wasserbad. Viermal durchlaufen die Blätter die sogenannten Wäscher. Mit heißem Wasser oder Dampf wird der Spinat anschließend etwa eine Minute blanchiert und danach sofort zerkleinert. Umströmt von eiskalter Luft wird er dann in einem Rohrsystem extrem schnell abgekühlt und innerhalb von zwei Minuten tiefgefroren. Schließlich lagern die Produkte bis zur Auslieferung bei minus 28 Grad in Europas größtem Tiefkühllager.
Durch das kurze Blanchieren werden die Vitamine maximal geschont. Bei sehr schnellem Tiefgefrieren entstehen nur winzige Eiskristalle, die die Zellstrukturen des Gemüses nicht schädigen. Inhaltsstoffe, Aroma und Geschmack bleiben bei diesem Verfahren optimal erhalten. Nur wenn man nach der Ernte mit dem Topf am Feldrand stehen würde, dann in die Küche flitzt und das Gemüse zubereitet und isst, hätte man mehr Vitamine zu sich genommen.
Für Folsäure gilt sogar: Die Menge dieses Vitamins erhöht sich durch den Tiefgefrierprozess und wird für den menschlichen Organismus besser verwertbar. Bei Spinat verdoppelt sich der Fols äuregehalt: 100 Gramm frischer Spinat enthalten 33,35 Mikrogramm, die gleiche Menge tiefgekühlter Spinat enthält 66,24 Mikrogramm, weil sich durch das Tiefgefrieren der Anteil des verwertbaren Monoglutamats an der Gesamtmenge der Folsäure erhöht. Und bei Kohlsorten wie zum Beispiel Grünkohl verbessert sich die Bekömmlichkeit, denn während des Blanchierens und Gefrierens wird die Zellstruktur gelockert.
Bei einer Vitaminstudie von Iglo wurde der Vitamin-C-Verlust von tiefgekühltem Gemüse und Dosengemüse miteinander verglichen. Danach enthält tiefgekühlter Spinat mehr Vitamin C alsfrische Ware, die einen Tag bei Raumtemperatur gelagert wurde. 100 Gramm Spinat haben bei der Ernte 31 mg Vitamin C, nach dem Tiefkühlverfahren bleiben 21 mg erhalten. Wird tiefgekühlter Spinat richtig gelagert, ist der Wert über Monate konstant. Bei grünen Bohnen bleiben sogar 97 Prozent des Vitamin C erhalten: Nach der Ernte sind es bei 100 Gramm Bohnen 15 mg Vitamin C, nach dem Tiefgefrieren immerhin noch 14,5 mg. Schon nach einem Tag der Lagerung verlieren frische Bohnen dagegen knapp 30 Prozent Vitamin C. Frisch geernteter Brokkoli hat 90 mg Vitamin C, tiefgefroren bleiben noch 84 Prozent davon erhalten. Bei Erbsen sind es 68 Prozent.
Die besten Vitaminwerte erhält der Koch also, wenn er neben der Erntemaschine auf dem Acker steht. Deshalb versuchen die großen Tiefkühlkosthersteller so zu arbeiten, dass ohne Verzögerung geerntet, gereinigt, blanchiert und sofort schockgefroren wird. Doch auch die Kälte kann Vitamine nicht ewig konservieren. Bei einer Lagerung von minus 18 Grad verliert Tiefkühlgemüse nach einem Jahr etwa die Hälfte des Vitamingehalts. Auch beim Auftauen in der Küche kann man Fehler machen, die den Vitaminen die Flucht ermöglichen, denn Licht, Luft und Wärme sind wie der Faktor Zeit Vitaminkiller. Ist das Tiefkühlgemüse erst einmal aufgetaut, sollte es darum sofort zubereitet und gegessen werden.
Pures Gemüse ist hochwertige Tiefkühlkost und empfehlenswert, Fertiggerichte sind dagegen mit Vorsicht zu genießen, weil sie mit Geschmacksverstärkern, Farb- und Aromastoffen aufgepeppt werden. Von der Pizza bis zum Eintopf sind Tiefkühlgerichte Fastfood, das aus der Kälte kommt. Als die Firma Frosta vor ein paar Jahren einen für die Branche revolutionären Weg beschritt und ein »Reinheitsgebot« für Fertiggerichte einer bestimmten Marke einführte, mussten die Werksköche erst 60 verschiedene Zusatzstoffe eli minieren und über 200 hochwertige Zutaten neu verarbeiten. Das war teuer. Billiges Milchpulver musste durch Sahneersetzt werden, es wurde Käse ohne Nitratzusätze und Speisesalz ohne Trennmittel verarbeitet. Frische Kräuter und Gewürze sorgen jetzt für den Geschmack, der vorher mit chemischen Hilfsmitteln erzeugt wurde. Bleibt zu hoffen, dass sich diese neue Generation der Tiefkühlfertigprodukte ohne chemische Zusätze durchsetzen wird.
Vor der Erfindung der Kälte
1961 lief bei Iglo das erste Päckchen Spinat vom Band. Wenn man bedenkt, dass schon 50 Jahre vorher ein Däne das Patent für das Tiefgefrieren von Lebensmitteln angemeldet hatte, war reichlich Zeit zwischen der Idee und ihrer industriellen Nutzung verstrichen.
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