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Schmeckts noch

Titel: Schmeckts noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Goris
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wir kauen, atmen wir flüchtige Aromastoffe ein und deshalb können wir die Nahrung schmecken. Bei geschlossener Nase, etwa bei einer Erkältung, schmeckt Kuchen wie Kartoffelbrei und Pizza wie Pappe. Und weil unser Gaumen keinen Unterschied schmeckt zwischen künstlich und natürlich, machen Aromen das Speiseeis fruchtig, die Erdnussflocken nussig und die Bonbons tropisch frisch. Aromen verleihen dem Quark seinen intensiven Erdbeergeschmack, der Praline die bittersüße Spur von Mandeln und den Kartoffelchips die feurig ungarische Note. Damit man beim Kochen von Fertiggerichten so richtig auf den Geschmack kommt, gibt es sogar Reaktionsaromen, die sich erst bei der Zubereitung entfalten. Denn die Fooddesigner wissen, dass mit der Erinnerung im Herzen alles besser schmeckt. Küchengerüche erinnern an zu Hause, doch was da im Fertiggericht so lecker nach Bratkartoffeln duftet, könnte 2-Metoxy-3-Äthylpyrazin sein. Jede Geschmacksnote ist im Labor nachbaubar. Ob französische Zwiebelsuppe, Karamelbonbons oder Orangenlikör: Überall haben Aromadesigner ihre Finger im Spiel.
    Flavoristen, wie die Geschmackskonstrukteure offiziell heißen, grillen ohne Feuer und machen trotzdem viel Rauch. Die Kunst des traditionellen Räucherns ist bei Schinken, Lachs und Käse längst überflüssig. Es gibt über 200 Rauch- und Grillaromen sowie standardisierten Flüssigrauch. Diese Form des Räucherns ist nicht nur wirtschaftlicher, sie gilt sogar als gesünder, denn beim Grillen entstehen polyzyklische aromatische Verbindungen, und die sind krebserregend. Diese Schadstoffe können bei Kunstrauch weitgehend ausgeschlossen werden. In Kanada ist man schon einen Schritt weiter: Auf dem Tisch im Steakrestaurant steht nebenKetchup und diversen Soßen auch ein Fläschchen Hickory-Flüssigrauch. Hickory, eine Nussbaumart, ist in Kanada und Amerika als Räucherholz sehr beliebt, und nach einem Spritzer aus der Flasche schmeckt das Steak gleich wie vom Grill.
    Mutter Natur ist nicht so verlässlich wie das Labor. Ernteausfälle, Wetterkapriolen, Klimaschwankungen, und dazu die Risiken durch das Naturprodukt selbst: Erdbeeren, Erdnüsse und Sellerie bekämen heute bestimmt keine Zulassung von den Behörden, wenn sie von der Industrie erfunden wären und als Produkt auf dem Markt eingeführt werden sollten. Zu groß ist die Gefahr durch Allergien, die für Betroffene tödlich enden können.
    Aromastoffe dagegen sind billig, sie lassen sich gut dosieren und nach Bedarf produzieren – und sie gelten gemeinhin als unbedenklich. Wirklich bewiesen ist das jedoch nicht. »Aromen und Geschmacksverstärker regen obendrein zu übermäßigem Essen an«, kritisiert die Ernährungsexpertin Silke Schwartau. »Das macht dick und krank.« Und Kinder, die mit Aromen aufwachsen, wissen gar nicht mehr, wie selbstgekochtes Essen schmeckt, schlimmer noch: Es schmeckt ihnen nicht mehr, weil sie so sehr an den intensiven Geschmack der Industrienahrung gewöhnt sind.
     
Gibt es ein Leben ohne künstliche Aromastoffe?
     
    Nur sehr wenige Lebensmittel sind nicht aromatisiert. Dazu gehören Kaffee, Bier, Wein, Butter und beispielsweise Bio-Roggenmischbrot. Es enthält nichts außer Roggen- und Weizenmehl, Wasser, Meersalz und Backferment.
    Zusatzstoffen auszuweichen ist nicht einfach. Nur Lebensmittel, die nicht weiterverarbeitet werden, sind wirklich E-frei! Tiefkühlgemüse enthalten keine Zusatzstoffe, wenn sie nicht in irgendeiner Form zubereitet sind, sondern nur geerntet und tiefgefrorenwurden. Wer nicht auf Fertiggerichte verzichten will, der sollte auf die Zutaten achten. Was an erster Stelle aufgelistet ist, davon ist am meisten enthalten. Stehen Zucker und Salz oder Fett ziemlich am Anfang der Liste, ist das eher schlecht für die Gesundheit. Wer auf Ballaststoffe Wert legt, sollte Trockengerichte meiden. Alles, was aus der Tiefkühltruhe oder der Dose kommt, hat deutlich mehr Ballaststoffe als ein Tütengericht. Enthalten Fertiggerichte hauptsächlich Gemüse, Nudeln, Reis oder Kartoffeln, lassen sie sich leicht mit frischen Zutaten anreichern und zu einem gesunden Essen verfeinern.
    Mit all der neugewonnenen Bequemlichkeit macht unsere Essgesellschaft gerade einen grundlegenden Wertewandel durch, eine schleichende Revolution hinter verschlossenen Küchentüren. Endet das Convenience-Food-Verhalten vielleicht damit, dass künftige Generationen nicht mehr wissen, wie man Kartoffeln schält, Fleisch brät, Fisch filetiert? Auf die Frage: »Warum kaufen Sie

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