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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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Affäre. Er wollte nicht glauben, dass ich dich weder kannte noch eingeladen hatte. Er dachte, ich hätte dich bezahlt, damit du ihn verprügelst. Er dachte, du wolltest ihm sein Dope klauen.«
    »Wohl einer von denen, die Kiffen paranoid macht.«
    »Nein, eigentlich nicht. Dir ist anscheinend immer noch nicht klar, was du getan hast.«
    Er hielt inne und runzelte die Stirn. Sie hatte Recht. »Erklär es mir.«
    »Du bist einfach so bei uns reingeplatzt, ein vollkommen Fremder. Und dann das, was du gesagt hast.«
    »Es kam mir gerechtfertigt vor.«
    »Es war beängstigend und peinlich für mich.«
    »Tut mir leid.«

    »Wir sind zur Polizei, haben Anzeige erstattet und sind nach Hause gefahren. Später ist Chad dann abgehauen. Nachdem ich ihn zwei Tage nicht gesehen hatte, rief jemand an. Ich konnte nicht sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Es war eher ein Flüstern, voller …« Ihre Finger griffen in die Luft, als suchte sie nach dem richtigen Wort. »… Inbrunst. Der Anrufer nannte deinen Namen. Ich bekam deine Adresse. Ich sollte dich besuchen, und am nächsten Morgen beschloss ich, es zu tun.«
    Flynn malte sich aus, wie Nuddin im Internet nach ihm gesucht hatte, vielleicht sogar seine Akte in die Finger bekommen hatte. Ob Sierra sie mit nach Hause genommen hatte? Ja, um ihn zu beschützen. Sie hatte auf eigene Faust in Flynns und Emmas Vergangenheit gewühlt. Sie war aufgebracht und wütend gewesen, aber vor allem auch besorgt. Er hatte sie gebeten, etwas über Emma herauszufinden, das hatte sie getan, und so hatte Nuddin davon Wind bekommen.
    »Wann hast du den Zettel bekommen?«
    »Als ich auf dem Parkplatz aus dem Wagen stieg, kam ein behinderter junger Mann auf mich zu und gab ihn mir. Ich dachte, das sei so eine Karte, auf der steht: Ich bin behindert und bitte um eine kleine Spende. Ich hab ihm fünf Dollar gegeben, und zack, war er weg. Ich wusste bis eben gar nicht, was drauf stand. Was bedeutet es?«
    »Nichts, nur ein schlechter Witz.«
    Kelly jammerte auf. Sie rief leise nach ihren Eltern, kam kurz hoch, fiel wieder zurück auf die Couch und
schluchzte in die Kissen, alles im Schlaf. Wimmernd verlangte sie nach Zero und Nuddin. Als Flynn sie schließlich seinen Namen sagen hörte, erfüllte es ihn mit einem seltsamen Stolz.
    Er setzte sich zu ihr, hielt sie und streichelte ihr über den Rücken, während Emma ihm zusah. Kellys Wärme gab ihm Hoffnung. Er wusste jetzt, dass sie ihren Kummer überwinden würde. Es war nicht so schlimm, wie Sierra und er geglaubt hatten, auch wenn es nur die erste Welle war. In den nächsten Monaten und Jahren würde es immer wieder über sie hereinbrechen, aber irgendwann würde sie mit alldem Frieden schließen. Er drückte seine Lippen auf ihre Augenbraue, so wie ein Vater es vielleicht getan hätte.
     
    So schlief er ein und wachte erst Stunden später wieder auf. Es war noch Nacht, und Emma saß immer noch in ihrem Mantel da und sah ihn an.
    Das ist unsere Chance, dachte er. Unsere Chance, uns gegenseitig zu retten.
    »Warum bist du hier?«, fragte er sie.
    Sie wollte etwas sagen, schaffte es aber nicht. Sie verzog das Gesicht in alle Richtungen und schüttelte den Kopf, sodass ihr Haar wild umherflog, bis sie schließlich mit den Schultern zuckte. Diese kleinen menschlichen Regungen, hinter denen das Unaussprechliche stand. Sie beugte sich vor und strich Kelly über die Stirn. Er wusste, dass sie dieselbe Sehnsucht verspürte wie er, aber er fand die Worte nicht, es zu erklären. Vielleicht würde es immer so bleiben, und sie steckten fest in diesem Sumpf des Schweigens.

    »Wahrscheinlich könnte ich dich lieben, weißt du das?«, sagte er. Es war aufrichtig und tief empfunden, aber es klang merkwürdig, selbst in seinen Ohren.
    Verlegen ging er ins Schlafzimmer und legte sich aufs Bett. Seine Wunden waren tief und schmerzhaft, aber sie verbanden ihn mit dem Leben.
    Eine Stunde später, als es draußen allmählich hell wurde, kroch sie zu ihm ins Bett, in Mantel und Schuhen. Sie drehte sich auf die Seite, und er rückte zu ihr und nahm sie in den Arm. Er wartete darauf, dass sie weinte, aber sie tat es nicht. Sie hatte es seit dreißig Jahren nicht getan. Er wusste, was es aus ihm gemacht hatte, und dachte, dass es für sie viel schlimmer sein musste. Die Jahre mit Männern wie Chad, die ihr die Hände hochdrückten, bis sie in die Knie ging. Deswegen war sie hier. Sie hatte keine Lust mehr auf Veilchen und aufgeplatzte Lippen.
    Er war etwas Besonderes.

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