Schmerzlos: Thriller (German Edition)
worden war.
»Wo bist du?«, fragte ich.
»Unterwegs. Oben im Norden.«
»Im Norden? Etwa San Francisco?« Ich nahm den Hörer vom Ohr, um einen Blick auf die Anzeige des Telefons zu werfen. Nummer unterdrückt. » Bist du bei Mom?«
»Wo ich bin, tut nichts zur Sache. Ich muss ein paar Dinge überprüfen. Und du hältst dich aus der Sache raus.«
Aus der Küche kam ein metallisches Klicken. Ich wandte den Kopf. Die Glock lag auf der Arbeitsplatte, und Jesse hielt einen Karton mit 9-mm-Patronen in der Hand.
»Dad!«
»Vielleicht hat es ja gar nichts zu bedeuten. Blinder Alarm. Aber ich will auf Nummer sicher gehen. Jesse weiß, was zu tun ist.«
»Er füllt gerade ein zweites Magazin.«
»Gut.«
»Warum? Glaubst du, ein Magazin reicht nicht?«
Seine Stimme wurde noch tiefer. »Du hältst dich da raus. Ist das klar? Ich melde mich, sobald ich was weiß.«
Ich legte auf. Der Blick in Jesses Augen war kalt. Während ich beobachtete, wie er Patronen ins Magazin schob, wuchs meine Angst.
Außerdem war ich stocksauer. Mein Vater war mir permanent ausgewichen. Sowohl er als auch Jesse taten so, als wäre ich nicht in der Lage, selbst auf mich aufzupassen. Jesse beschwerte sich manchmal, dass ich ihn so behandelte, was bei mir jetzt einen bitteren Nachgeschmack hervorrief.
Er legte das Extramagazin auf die Arbeitsplatte. »Ich bin nur vorsichtig.«
»Ach ja? Ich kenne Rennfahrer, die vorsichtiger sind als du.«
Er nahm die Glock in die Hand. »Dann betrachte das hier doch als eine andere Art von Stressmanagement.«
»Leider trägt das überhaupt nicht zu meiner Beruhigung bei.«
»Morgen gehen wir auf den Schießstand. Schießübungen sind eine ausgezeichnete Entspannungstechnik. Zielen, atmen, abdrücken. Sehr beruhigend.«
»Jesse Blackburn, manchmal könnte ich dir den Hals umdrehen.«
»Bitte nicht. Du willst was gegen deine Angst tun. Ich hab das Beste, was es dafür gibt.« Er musterte die Waffe. »Durchschlagskraft.«
7. Kapitel
Um Mitternacht war der Mond aufgegangen, der sein bleiches Licht auf die Monterey-Kiefern vor der Glasfront warf. Ich war hellwach, aber Jesse knipste die Tischlampe aus und streckte mir eine Hand entgegen.
»Komm, wir versuchen, ein bisschen zu schlafen.«
Ich stand auf. Er fuhr in die Küche und schluckte ein paar Schmerztabletten. Ich schaltete die Stereoanlage aus, wobei mir auffiel, dass er das Trazadon nicht nahm, ein Medikament gegen seine Schlafstörungen.
»Jess?«
»Jetzt nicht.«
»Heute nacht wird mit Sicherheit nichts passieren. Du solltest mit deinen Medikamenten nicht herumexperimentieren. Ruf morgen früh deinen Arzt an, aber nimm sie heute Abend wie gewohnt. Bitte, Liebling.«
Er verzog das Gesicht. »Ja, Schwester Evan.«
Ich versuchte zu lächeln, doch er bekam mit, wie sich meine Hände immer wieder nervös zu Fäusten ballten. Ich änderte meine Taktik und schob kokett die Hüfte vor.
»Wenn ich Krankenschwester spielen soll, brauche ich eine weiße Uniform und diese erotischen medizinischen Strümpfe.«
»Bitte nicht.« Er blinzelte mich mit gespieltem Entsetzen an. »Krankenhäuser und Erotik, das passt nicht zusammen.«
Ich gab meine Pose auf. »Könntest du dir vorstellen, dass jemand Fotos von mir macht, auf denen ich Unterwäsche trage?«
Jesse ließ sich gerade ein Glas Wasser ein. Er warf mir einen Blick über die Schulter zu.
»Lass mich raten – Cousine Taylor?«
»Hochglanzfotos. Von mir. In Spitze und Latex.«
Seine Lippen verzogen sich. Das Wasser erreichte den Rand des Glases, schwappte darüber und ergoss sich über seine Hand.
»Dann gehe ich mal davon aus, dass das ein Ja sein soll«, sagte ich. »Was soll ich anziehen?«
»Französisches Dienstmädchen.«
»Jetzt mal im Ernst. Ich dachte an …«
»Das meine ich ernst. Französisches Dienstmädchen.«
Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Du meinst eine Schürze, einen Mikromini und schwarze Strümpfe?«
»Die bis zu den Oberschenkeln gehen.« Das Wasser lief ihm jetzt den Arm hinunter. »Und High Heels.«
»Womit hab ich das verdient?«
»Zehn Zentimeter. Mindestens. Und ein rotes Höschen. Hatte ich schon französisches Dienstmädchen gesagt?«
Ich ging auf ihn zu. »Das reicht. Seit wann stehst du denn auf Raumpflegerinnen?«
»Petticoat. Strapse. Oh, diese Beine. Und wenn du dich dann vorbeugst, um etwas … ähm … zu polieren, und den Rücken durchstreckst, dann …«
Als ihm endlich auffiel, dass er kurz davor stand, die Küche zu fluten,
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