Schmerzlos: Thriller (German Edition)
ja nicht miteinander zusammen.« Wieder schlug sie eine Seite um. »Phoebe Chadwick.« Ein empörtes Schnauben. »›Unerwarteter Tod.‹ Was für ein lächerlicher Euphemismus. Wer hat diese Artikel eigentlich verfasst?«
»Kelly Colfax und Ceci Lezak.«
»Was für ein Schund.« Sie legte beide Hände auf die Tischplatte. »An was ist Phoebe Chadwick gestorben?«
»Southern Comfort. Und Schlaftabletten.«
»War es denn wirklich so schlimm, in China Lake aufzuwachsen?« Ungläubig schüttelte sie den Kopf und blätterte weiter, bis sie bei Marcy Yakulski war. »Autounfall?«
Ich musste an die Schlagzeile des Artikels denken, der an dem Plakat zum Andenken an die verstorbenen Mitschüler gehangen hatte. Auto nach Unfall in Flammen aufgegangen – vier Tote.
»Marcy war auch bei der Exkursion dabei«, sagte sie. »Ihre Eltern machten ein Riesentheater um die Verzichterklärungen.«
Nun war noch ein Name übrig. »Dana West?«
Sie las den Nachruf. OP-Schwester. Gestorben bei einem Krankenhausbrand. Nachdenklich fuhr sie sich mit der Hand über die Stirn.
»Wie viele waren an dem Tag bei der Exkursion dabei? Was glaubst du?«, fragte ich.
Sie überlegte. »Ihr Kinder, eure Lehrerin … vielleicht fünfundzwanzig, sechsundzwanzig.«
Wir starrten uns an und zählten im Geist die Namen. Das Männchen in meinem Kopf hämmerte immer schneller.
»Ich komme auf acht«, sagte sie. »Einschließlich Kelly und Ceci.«
Ich auch. Mir brach der kalte Schweiß aus.
Fast ein Drittel der Leute, die damals mit mir im Renegade Canyon waren, waren tot. Meine Kehle schnürte sich zu. Ich rannte ins Bad und übergab mich.
9. Kapitel
Coyote, der sein Auto am äußersten Rand des Parkplatzes abgestellt hatte, beobachtete, wie die Frau im Gemeindezentrum verschwand. Der Abend war sehr warm, was für Riverside typisch war. Der Geruch nach Staub, Salbei und Industriedünger lag in der Luft. Es war schon sonderbar, dass einige Schüler der Abschlussklasse China Lake zwar verlassen hatten, aber immer noch den für die Wüste typischen Lebensstil pflegten. Wie Becky O’Keefe.
Sie tapste über den Parkplatz, stämmig, unbeholfen und viel zu zufrieden, verliebt in die Welt des Kunsthandwerks und in ihr Leben als Hausfrau. Das grässliche T-Shirt mit seinen lächerlichen, glitzernden Applikationen, das nichtssagende Lächeln und die Speckrollen an ihren Oberarmen waren der Beweis dafür. Becky beim Klassentreffen zu liquidieren, war unmöglich gewesen. Doch heute Abend war das anders. Heute Abend würde niemand etwas ahnen und niemand etwas sehen.
Heute war Coyote Hausfrau und Mutter, die Königin der Vorstadtschlampen.
Die Haare der schwarzen Perücke waren zu einem Pferdeschwanz gebunden und steckten unter einer Baseballmütze. Trainingshosen und ein langärmeliges T-Shirt versteckten die ausgeprägten Muskeln. Auf dem T-Shirt prangte das Bild eines kleinen Mädchens mit einem Gänseblümchen. Sie hatte es im Kofferraum des Familienvans gefunden, den sie in Pasadena gestohlen hatte, zusammen mit dem Autoaufkleber »Baby an Bord«. Der Fotodruck war eine ekelerregende Gefühlsduselei, aber eine hervorragende Tarnung. Als Vorstadtmutti und frigide Ehefrau trug sie den Beweis für den Koitus auf der Brust spazieren.
Coyote öffnete die Hecktür und griff nach der Sporttasche, während sie das Gemeindezentrum im Auge behielt. Es war ein großes, gut ausgestattetes Gebäude. Auf dem Programm standen unter anderem Aerobicstunden, Kinderbetreuung und ein Anfängerkurs für Kunsthandwerk. Letzterer wurde, wie sie aus der Klassentreffen-Zeitung wusste, von Becky O’Keefe angeboten.
Coyote trug sich Lippenstift auf die trockenen Lippen auf. Dieser Feminisierungsprozess fühlte sich immer widerlich an. Mit diesem Kosmetikkram schwächte man sich spürbar. Obwohl es im Dienste der Jagd geschah, besudelte es den Geist.
Der Lippenstift glitt über die Lippen der Vorstadtmutti. Mal dir ein Bild deiner Beute aufs Gesicht, damit du bei der Jagd Erfolg hast. Zeichne eine Frau. Zeichne Becky O’Keefe.
Sie warf den Lippenstift in die Sporttasche und zog ein Paar Handschuhe über, wie man sie zum Gewichtheben im Sportstudio benutzte. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie die Flamme zucken. Ein rotes Handtuch schlängelte sich aus der Sporttasche und entrollte sich wie eine zwei Meter lange Zunge. Sie hörte, wie es an der Luft leckte, ein nasses Geräusch, obwohl das Handtuch trocken war. Es suchte nach ihr.
Schlüssel klimperten. Neben dem
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