Schmerzlos: Thriller (German Edition)
Neunundsechzig oder dreimal die Sechs?«
»Mir reicht’s, mir reicht’s wirklich.«
Er starrte weiter vor sich hin und ignorierte den Verkehr, der an uns vorbeirauschte. Und das Motorrad, das direkt neben der Fahrertür hielt.
»Boris und Natascha sind da«, sagte ich.
Er starrte mich an. Dann wirbelte er herum.
Jax Rivera ließ den Motor aufheulen. Tim North warf uns einen belustigten Blick zu. An seinem Zeigefinger baumelte ein Männerstring aus Silberlamé.
»Jesse, ist das nicht ein bisschen zu gewagt für dich?« Er deutete die Straße hoch. »Fahrt uns nach.«
19. Kapitel
»Das gefällt mir nicht«, knurrte Jesse.
Er lenkte den Pick-up durch eine Spitzkehre. Vor uns kurvte Jax auf ihrer schweren Maschine den Hügel hinauf. Tim klebte an ihr wie ein Schatten. Nun verdrängte La Cumbre Peak den Himmel. Am Rand des Asphalts wucherte Gestrüpp. Jax steuerte das Motorrad über eine Anhöhe und zweigte dann nach links in eine Seitenstraße ab.
Jesse las das Straßenschild. »Ich hab’s doch gewusst.«
Es ging den Hügel hinunter an Eukalyptusbäumen und Häusern vorbei, die sich zwischen der Vegetation duckten. Jax bog in eine Einfahrt, an der ein Schild mit der Aufschrift ZU VERKAUFEN stand, und tuckerte dann vor bis zu einem Grundstück, auf dem gerade die Betonfundamente für ein Haus gegossen wurden. Wir parkten den Wagen und folgten ihnen, bis wir auf der Betonplatte standen.
Tim bewunderte die Aussicht. In Gegenwart eines Auftragskillers die Nerven zu behalten, war nicht ganz einfach. »Ich glaube, du strapazierst deinen britischen Humor etwas zu sehr.«
»Coyote Road. Du hast wahrscheinlich recht.«
»Kai Torrance. Ich muss wissen, ob er Coyote ist.«
Er sah sich immer noch das Panorama an. »Wie kommst du zu der Annahme?«
»Eine Wissenschaftlerin namens Maureen Swayze plus zwei Idioten, die sich bewegten, als hätten sie das gleiche Heckenschützentraining hinter sich wie du. Und ein Typ mit einer Baseballmütze, der sich mit Jesse angelegt hat.«
Jax gesellte sich zu uns. »Ich könnte mir denken, dass Coyote das alles arrangiert hat.«
Ich bekam eine Gänsehaut. »Wir sind ihm begegnet. Blond, schmal, unauffällig.«
»Verlass dich lieber nicht darauf«, sagte Tim. »Das nächste Mal tritt Coyote vielleicht als fetter Polizist oder alte Frau auf. Selbst ich weiß nicht, wie Coyote aussieht, obwohl ich den Mistkerl kenne.«
Verdammt. »Warum hast du uns das nicht schon früher gesagt?«
»Es war in Kolumbien, in einer der etwas heftigeren Phasen des Drogenkriegs.«
Er warf seiner Frau einen kurzen Blick zu. Sie schlenderte zum Rand der Betonplatte und b ewunderte die Aussicht. Selbst in Motorradstiefeln und einer Lederkombi hätte sie einen Pas de Deux aus Schwanensee hinlegen können . Kolumbien, so hatte sie mir erzählt, hatte das Ende ihrer Karriere als CIA-Agentin bedeutet. Vielleicht dachte sie jetzt gerade daran, was in Medellin geschehen war: Ihr Liebhaber hatte sie an Drogenhändler verraten, worauf sie ihn mit Heroin vollgepumpt und mit einer 9-mm-Kugel in die Schläfe getötet hatte.
»Bei einem Einsatz arbeitet man gelegentlich mit Kollegen von anderen Geheimdiensten zusammen. Ich war zeitweise Teil von Coyotes Versorgungscrew und für die Logistik verantwortlich«, erklärte Tim.
Jesse legte die Hände auf die Greifreifen seines Rollstuhls. »Ich hab dich immer für den Mann ganz oben gehalten. Für den am Zielfernrohr.«
»Selbst Rockstars haben manchmal noch einen Nebenjob.« Tim lächelte sarkastisch. »Coyote hat natürlich eine Tarnidentität benutzt. Aber ihr habt ihn identifiziert. Kai Torrance.«
»War er bei der CIA?«
»Keine Ahnung, wer seinen Gehaltsscheck unterschrieb. Ich weiß nur, dass er in seinen besten Jahren ein grandioser Agent war. Leise, effektiv, zuverlässig«, erwiderte er. »Später haben sich unsere Pfade noch einmal in Thailand gekreuzt, doch da hatte er sich schon verändert. Er war ständig gereizt. Und seine Methoden waren etwas sonderbar geworden.«
»Inwiefern?«
»Er war dazu übergegangen, Klauenspuren in die Leichen seiner Zielpersonen zu ritzen. Er hat seine Arbeit unterschrieben, als wäre er Zorro. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ein Spion mit einer eigenen Handschrift ein Widerspruch in sich ist.«
»Mit wem oder was haben wir es zu tun?«, fragte Jesse.
»Er hat eine Sabotageausbildung und kennt sich mit Sprengstoffen und verschiedenen Verhörmethoden aus.«
Sprengstoff. Jesse und ich starrten uns an. Wir
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