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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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zu sitzen und in die Glut zu gucken. Wenn ich das Würstchen aber ablehne, diagnostiziert meine Mutter bei mir eine Magenverstimmung oder sonst was. Dann kriege ich statt Würstchen Haferschleim oder Zwieback, dazu schwarzen Tee. Ich rufe ein »Super« in Richtung Garten. Die Würstchen sind wie immer. Oben und unten hellschwarz, rechts und links dunkelweiß. Meine Mutter kauft immer, immer so krumme Bratwürstchen und mein Vater kriegt immer, immer die Krise, weil er die nicht vernünftig grillen kann. »Die können nicht auf dem Rücken liegen, die können nicht auf dem Bauch liegen. Die sind doof«, meckert er. Meine Mutter veralbert ihn wie immer. Das seien original Grillwürstchen. Andere Leute seien also durchaus in der Lage, diese Würstchen zu grillen. Mein Vater tut dann immer ein bisschen beleidigt. Er sei ein armes Würstchen, dass er mit einer solchen Ignorantin verheiratet sei. Ich stehe abrupt auf. Diese Vorstadt-Idylle samt Geplänkel geht mir auf den Nerv.
    »Mir ist irgendwie nicht gut. Ich nehm mir ein paar Zwieback mit hoch.«
    Ich spür vier Punkte auf meinem Rücken brennen. Jetzt können sie unter vier Augen weiter turteln und weiter so tun, als hätte mein Vater vorgestern nicht auf der Couch geschlafen.
     
    In der Kabine ist es ungewöhnlich laut. Irgendwie hatte ich heute mal wieder Bock auf Hockey. Die letzten Wochen hab ich das Training geschwänzt. Aber heute habe ich richtig Lust aufs Laufen und Passen und natürlich aufs Toreschießen. Die andern Jungs grüßen mich nur kurz, plappern
weiter durcheinander. Ich beeile mich, bin als Erster auf dem Platz und laufe mich schon mal warm. Es ist angenehm windig. Das wird gut heute. Als wir uns um den Trainer versammeln, haut Raoul mir von hinten auf die Schulter.
    »Wo warst du denn am Samstag?«
    »Brauche ich ein Alibi? Wieso?«
    »Ich hab dich auf der Fete nicht gesehen.«
    »Was denn für eine Fete?«
    Der Trainer funkelt uns an. »Wenn ihr zum Quatschen hier seid, geht wieder in die Kabine, da stört ihr uns wenigstens nicht.«
    Wir sind still. Habe ich eine Party verpasst? Habe ich irgendeinen Geburtstag vergessen? Ich gucke die Jungs der Reihe nach an. War ich bei irgendjemanden eingeladen und bin nicht erschienen? Kann ich mir nicht vorstellen. Weder das eine noch das andere. Bei den ersten Aufwärmübungen stelle ich mich neben Raoul.
    »Was für eine Fete?«
    »Die nach dem Turnier«, zischt Raoul.
    »Welches Turnier?«
    »Das am Samstag«, zischt er lauter.
    Stimmt. In der Umkleidekabine vorhin haben ein paar von einem Turnier gequatscht. Von irgendwelchen Fouls und verpassten Chancen. Wieso haben wir auf einem Turnier gespielt? Wieso wusste ich das nicht? Ich habe plötzlich das Gefühl, dass das Training heute alles andere als gut wird.
    Beim Umziehen platzt es aus mir raus. Ich stelle mich vor Raoul hin.

    »Jetzt kannst du vielleicht ein bisschen ausführlicher werden.«
    »Wir haben am Samstag ein Turnier gespielt. Aber vergiss es. Mir ist schon wieder eingefallen, warum du nicht dabei warst.«
    »Wieso weißt du, warum ich nicht dabei war? Ich weiß es ja selber nicht.«
    Um uns herum ist es ruhiger geworden. Keiner guckt uns an, aber alle Ohren sind auf uns gerichtet.
    »Kannst du auch nicht wissen. Kommst ja nicht mehr zum Training. Und deswegen warst du auch nicht dabei.«
    Ich werde wütend. Dieser kleine Spaniel tut so, als hätte ich unbedingt dabei sein wollen, aber er höchstpersönlich hätte es mir verboten.
    »Und habt ihr gewonnen?«, frage ich.
    »Auch.«
    »Also seid ihr wieder Vorletzter geworden. Wahrscheinlich war nur eine Mädchen- oder Blindenmannschaft schlechter«, lache ich.
    Ich bin angezogen. Aufs Duschen hab ich verzichtet. Wortlos geh ich raus. Direkt zum Trainer.
    »Werden hier die Besten aufgestellt oder die Fleißigsten?«, frage ich ihn zornig.
    »Die besten Mitspieler. Du bist ein guter Spieler. Aber kein Mitspieler. Und Hockey ist nun mal ein Mannschaftssport«, sagt er kühl.
    »Stimmt. Wenn man gemeinsam verlieren will, ist man hier genau an der richtigen Adresse.«
    Er zuckt nur die Achseln, kümmert sich nicht weiter um
mich. Sieht noch nicht mal beleidigt aus. Ich drehe mich um und gehe. Gehe zurück in die Umkleide. Die andern sind gerade unter der Dusche. Wahrscheinlich beim Wettpinkeln. Ich ziehe meine Trainingssachen wieder an und laufe los. Ich bin gut. Ich bin schnell. Vielleicht werde ich mal Marathonläufer. Dazu brauche ich keine Mannschaft und keinen Trainer. Nur mich. Ich

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