Schmetterball
hörte, wie der Bullige sagte: »Siehst du! Hier! Hier steht es schwarz auf weiß!« Er zeigte auf den Zettel und fügte an:
»Wir werden ja sehen, ob er noch spielen kann!«
Der Hagere sagte nichts und schien verwirrt. Auf den Bulligen könnte die Beschreibung der Erpresser von Lennart zutreffen,
dachte Linh. Was konnte sie bloß tun, um das nachzuprüfen?
Die Tätowierung!, fiel ihr ein. Der dreibeinige Hund!
Im Vorbeigehen war es für Linh unmöglich zu erkennen, ob der Junge eine Tätowierung am Arm trug oder nicht. Auf welchem Unterarm
hatte Lennart den dreibeinigen Hund gesehen? Hatte Lennart das überhaupt erwähnt? Wie auch immer, sie musste es riskieren.
Entschlossen stellte Linh sich den beiden in den Weg.
Tatsächlich blieben sie stehen.
Linh setzte einen Hilfe suchenden Blick auf und fragte den Bulligen: »Entschuldige! Kannst du mir die Uhrzeit sagen?« Ihre
eigene Armbanduhr ließ sie geschwind unter ihrem Jackenärmel verschwinden und schaute dem Jungen direkt ins Gesicht.»Siehst du nicht, dass wir es eilig haben?«, blaffte der sie an, schaute aber trotzdem wie automatisch auf seine Uhr. Da sah
Linh es: eine Tätowierung! Ob sie aber einen dreibeinigen Hund darstellte, konnte sie in diesem kurzen Moment nicht erkennen.
Der Bullige antwortete kurz und knapp: »9 Uhr 49! Gleich müsste das Spiel losgehen.« Mit einem breiten Grinsen schlug er dem Hageren auf die Schulter und wiederholte:
»Müsste . . .!«
Er steckte das Papier gedankenverloren in seine Jackentasche und lief weiter. Linh ahnte, dass der Zettel eine Spur sein könnte.
Ein Zipfel davon guckte noch aus der Tasche heraus. Es blieb keine Zeit zu überlegen. Jetzt oder nie! Der Bullige mit der
Tätowierung war schon im Begriff weiterzugehen, da packte Linh zu. Wie eine Schlange beim Angriff schnellte ihr Arm vor, zielsicher
griffen ihre spitzen Finger nach dem kleinen Papierzipfel und ließen ihn in Linhs Hand verschwinden, wie es einem Zauberer
auf offener Bühne auch nicht besser gelungen wäre. Die beiden Jungs zogen direkt weiter zu den Umkleidekabinen, ohne auch
nur das Geringste bemerkt zu haben.
Linh hörte, wie der Bullige mit der Tätowierung jemanden fragte: »Kann er das Turnier fortsetzen?«
Leider konnte sie die Antwort nicht verstehen, aber dafür war ja Ilka da. Die würde alles mitbekommen. Linh nutzte die Gelegenheit
und warf einen Blick auf den Zettel.
Zuerst sagte ihr das Stückchen Papier gar nichts. Dann erst begriff sie langsam, worum es sich handelte. Der Zettel war ein
Wettschein!
Ein Wettschein? Linh konnte ihn nicht länger studieren, denn die beiden kamen zurück. Schnell ließ Linh den Zettel in ihrer
Handfläche verschwinden.
»Dann ist jetzt ja wohl alles klar!«, hörte sie den Bulligen mit der Tätowierung zu dem Hageren sagen, als die beiden wieder
an ihr vorbei Richtung Haupteingang zogen. »Also, Moritz! Mach keine Zicken und beeil dich! Wir treffen uns später am Eingang
des Spielbereichs!«
Der Hagere nickte zwar, aber irgendwie schien ihm die ganze Angelegenheit nicht zu passen.
»Und keine Mätzchen, Moritz, klar?«, gab ihm der Tätowierte noch mit auf den Weg.
Jetzt war Linh sicher. Gerade lief wieder so eine fiese Sache ab! Vielleicht bekam sie sogar heraus, was es war. Bis zum Ausgang
gingen die beiden noch gemeinsam. Dort blieben sie stehen. Wenn der Hagere jetzt aber die Halle verließ, musste Michaelzum Einsatz kommen. Der stand gut postiert neben dem Ausgang.
Linh hatte durch die gläserne Hallentür Blickkontakt zu ihm. Sie ging vorsichtig hinter den beiden her und gab Michael draußen
schnell ein paar Handzeichen.
Michael sollte schauen, wohin der Hagere ging, und sie würde drinnen den Tätowierten weiter beobachten. Michael hatte ihre
Zeichen verstanden und nahm sofort die unauffällige Verfolgung des Hageren auf, als der die Halle verließ.
Linh versteckte sich hinter einem Treppenvorsprung, von wo aus sie den Tätowierten im Auge behalten konnte. Der blieb noch
eine Weile stehen und schaute dem Hageren hinterher. Diesen Moment nutzte Linh, um sich den Wettschein noch mal genauer anzusehen.
Tabellenartig waren auf dem Schein verschiedene Namen aufgelistet, daneben Zahlen eingetragen. Vermutlich Geldbeträge. Rechts
daneben Buchstaben: »N« und »S«. Ganz unten entdeckte sie auch den Namen, mit dem der Bullige mit der Tätowierung den Hageren
angesprochen hatte: Moritz! Dahinter stand ein »S« und »50«. In der gleichen
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