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Schmetterlinge im Gepaeck

Schmetterlinge im Gepaeck

Titel: Schmetterlinge im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Perkins
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Leben verwandelte sich in eine einzige lange Übungsstunde. Und da Cricket noch zu klein war, um ohne Eltern zu Hause bleiben zu können, musste er mit.
    Wenn er doch mal zu Hause war, beschäftigte er sich in seinem Zimmer und bastelte sonderbare Apparate, die flogen, läuteten und summten. Manchmal probierte er sie in der schmalen Lücke zwischen unseren Häusern aus. Dann hörte ich eine Explosion, die mich ans Fenster stürzen ließ. Und dann, aber auch nur dann, lächelten wir uns freundlich und verschwiegen an.
    Als ich zwölf war, zog die Familie Bell für Calliopes Training zwei Jahre weg. Und als sie wiederkamen, waren die Zwillinge anders. Älter.
    Calliope war zu der Schönheit erblüht, wie man es in unserer Gegend schon erwartet hatte. Selbstbewusstsein strömte ihr aus jeder Pore und jedem Schulterstraffen. Ich war voller Ehrfurcht. Zu eingeschüchtert, um mit ihr zu reden. Nur mit Cricket plauderte ich gelegentlich. Er war nicht schön wie seine Schwester – beide waren schlank, doch während Calliope dadurch wie eine Balletttänzerin aussah, wirkte Cricket schlaksig. Außerdem hatte er Akne und die merkwürdigen Angewohnheiten von jemandem, der nicht viel unter Leute kam: Er redete zu schnell und zu viel. Trotzdem genoss ich seine Gesellschaft und er anscheinend auch meine. Wir standen kurz davor, richtige Freunde zu werden, als die Bells erneut umzogen.
    Bereits wenige Monate später kehrten sie zurück, am ersten Sommertag vor meinem Übertritt in die Highschool. Ich stand kurz vor meinem fünfzehnten Geburtstag im August und die Zwillinge vor ihrem sechzehnten im September. Calliope sah genau aus wie vor dem Umzug.
    Aber Cricket hatte sich erneut verändert.
    Lindsey und ich saßen gerade auf unserer Veranda und schleckten Kirscheis in Waffeltüten, als nebenan ein Auto vorfuhr und Cricket Bell ausstieg, wie ich ihn noch nie gesehen hatte – ein wunderbares langes Nadelstreifenbein nach dem anderen.
    Irgendetwas tief in meinem Innern machte einen Satz.
    Diese Regung war einerseits erschreckend und unangenehm, andererseits aber auch spannend und revolutionär. Schon in dem Moment wusste ich, dass sich mir dieser Anblick – seine Beine, diese Hose – für den Rest meines Lebens ins Gedächtnis brennen würde. So intensiv erlebte ich ihn. Lindsey rief Cricket ein fröhliches Hallo zu. Er sah verwirrt auf und unsere Blicke trafen sich.
    Das reichte aus. Es war um mich geschehen.
    Wir sahen uns länger in die Augen, als es üblich und akzeptabel gewesen wäre, dann schaute er Lindsey an, hob die Hand und winkte stumm. Seine Familie stieg ebenfalls aus dem Wagen, alle redeten gleichzeitig und seine Aufmerksamkeit kehrte schlagartig zu ihnen zurück. Allerdings nicht ohne mir noch einen flüchtigen Blick zu schenken. Und noch einen, noch kürzeren, bevor er im lavendelfarbenen viktorianischen Haus verschwand.
    Ich nahm Lindseys Hand und hielt sie ganz fest. Unsere Finger waren ganz klebrig vom Eis. Sie wusste Bescheid. Alles, was gesagt werden musste, drückte sich darin aus, wie ich ihre Hand umklammerte.
    Sie grinste. »Oooh.«
    Noch am selben Abend sprachen wir miteinander. Seltsamerweise weiß ich nicht mehr, was ich anhatte, sondern nur noch, dass ich es sorgfältig ausgewählt habe, da ich damit rechnete, ihn zu sehen. Als ich schließlich meine Vorhänge öffnete, überraschte es mich nicht, dass er an seinem Fenster stand und zu meinem herübersah. Natürlich war er da. Aber dass ich es auch war, schien ihn zu verblüffen. Sogar seine Haare wirkten noch aufgeschreckter als sonst.
    Â»Ich wollte nur … etwas frische Luft schnappen«, sagte ich.
    Â»Ich auch.« Cricket nickte und atmete dann übertrieben tief ein.
    Ich bin immer noch nicht sicher, ob das ein Witz sein sollte, aber ich lachte. Er lächelte mich nervös an, doch daraus wurde bald ein breites Grinsen. Er hatte es noch nie unter Kontrolle. Aus der Nähe erkannte ich, dass seine Akne verschwunden war und sein Gesicht älter wirkte. Wir standen da und grinsten uns dämlich an. Was sagt man zu jemandem, der nicht mehr derselbe war und andererseits doch genau derselbe? Hatte ich mich auch verändert oder nur er?
    Cricket verdrückte sich als Erster. Irgendeine Ausrede, dass er seiner Mum beim Geschirrauspacken helfen müsse oder so. Ich nahm mir fest vor, am nächsten Tag ein richtiges

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