Schmetterlingsgeschichten - Chronik II - Rock 'n' Roll (German Edition)
bevor sie sich umdrehte, lief ihr ein kalter Schauer über den
Rücken. In ihr trillerten bei diesem Gefühl sämtliche Alarmglocken, die Sarah
O’Boile sich in diesem Leben antrainiert hatte. Aber auch Gwendoline sagte ihr,
dass irgendwas in diesem Moment nicht stimmte. Als sie sich zu der Stimme
umdrehte, beruhigte sich Sarah aber sofort wieder. Neben ihr stand ein Mönch,
der sich wohl von seiner Gruppe schnell weggeschlichen hatte, um heimlich eine Zigarette
zu rauchen.
Sarah
konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen, da er sich seine Kapuze über den
Kopf gezogen hatte.
»Oh?!
Verzeiht, Bruder!«, sagte Sarah sichtlich beschämt. Sie musste ihn
wahrscheinlich wie den Tod persönlich angeguckt haben. Schnell tastete sie an
ihrem Körper entlang, denn normalerweise hatte sie neben dem kurzen Messer, das
sie jetzt immer bei sich führte, auch Streichhölzer dabei. Sie erspürte das
kleine Päckchen, holte es schnell raus und reichte es dem Mönch. Als der Mönch
den Kopf hob und das brennende Streichholz vor sein Gesicht zur Zigarette hob,
fiel ein wenig von dem Schein des Feuers in das Innere der Kapuze.
Wieder
durchlief sie ein Schauer und sie ging zwangsläufig einen Schritt zurück. Sie
hatte in die kältesten Augen geblickt, die sie jemals gesehen hatte - den Tod
persönlich! Es war nur ein Bruchteil von Sekunden, in denen Sarah vage sein
Gesicht und seine Augen hatte wahrnehmen können, doch wollte ihr Inneres nie
wieder diesen Anblick ertragen müssen. Neben diesen toten Augen hatte der Mann
noch zwei große Narben, die sein Gesicht förmlich entstellten. Als der Mönch
ihr das Päckchen Streichhölzer wiedergeben wollte, schüttelte sie nur den Kopf
und sagte mit abwinkenden Händen: »Behalten sie es ruhig. Ich brauche es wahrscheinlich
sowieso nicht«
»Oh,
das ist sehr freundlich und barmherzig von euch. Gott möge euch beschützen«,
bedankte sich der Mönch und ging mitten über den Platz. Sarah schaute sich
jetzt instinktiv nach den beiden Agenten um.
Sie
konnte den Jeep nicht sehen. Dann drehte sie sich wieder um und sah, dass die
beiden Professoren jetzt inmitten der wunderschönen Blumen standen und sich von
einem japanischen Touristen ablichten ließen. Sarah ging quer über den Platz zu
den beiden Geschichtlern.
»Hallo,
Frau O’Boile! Sarah! Hier sind wir«, schrie Professor Kuhte fröhlich von der
Treppe herunter. Ursula Nadel machte sich schon gar nicht die Mühe, Sarah unter
den Leuten zu suchen. Sie wusste, dass ihre Sehstärke da sowieso nicht
mitmachen würde.
Als
sich Sarah zu den beiden gestellt hatte, fragte sie sofort, wo ihre
wissenschaftliche Kontaktperson war.
»Oh,
ihm ist ein Seminar entfallen, das er heute noch hatte. Das geht ja vor. Seine Sekretärin
hat vorhin angerufen«, sagte Nadel jetzt und sprach dabei in die Richtung, aus
der die Frage gekommen war.
»Wir
treffen uns jetzt morgen um 10.00 Uhr wieder hier. Direkt an der Treppe.« Sarah
dachte kurz nach. Sie hatte drei Zimmer in einem Hotel gebucht, nicht weit vom
Vatikan entfernt. Sie konnten da eigentlich direkt hin. Aber was wollten sie
bis morgen machen? Dann kam ihr ein Gedanke: »Ich schlage vor, wir fahren dann
jetzt erstmal zu unserem Hotel. Von dort aus können sie sich auf meine Kosten
ein Taxi nehmen und Rom erkunden. Oder egal, was sie bis morgen früh tun
wollen, auch machen. Sie haben beide quasi frei«, sagte Sarah.
Die
beiden Professoren mussten lächeln. Sarah hatte ihnen indirekt gerade gesagt,
dass sie selber noch nie in Rom gewesen sein kann.
Denn
Rom war so riesig und es gab hier so viele Sehenswürdigkeiten, dass man fast
einen ganzen Monat am Stück brauchte, um überhaupt das Wichtigste zu sehen. Die
beiden waren schon so oft hier gewesen, dass sie es beim besten Willen nicht
mehr sagen konnten.
Sie
kannten die Stadtgrundrisse fast jeder Epoche, die Rom durchlebt hatte, auswendig.
Sie wussten, wie Rom gewachsen war und konnten zu jeder Station des Aufstiegs
bis zu seinem Höhepunkt und seinem Fall einen tagelangen Aufsatz halten. Aber
die beiden wussten jetzt schon, wo sie hin wollten: nämlich essen. In ihrem
persönlichen Geheimtipp-Restaurant, dass sie selbstverständlich niemals einem
anderen verraten würden. Nichts wäre schlimmer, als wenn das Restaurant von
Touristen überschwemmt würde.
Sarah
nahm ihr Handy und ließ eine gewisse Nummer drei Mal klingeln. Dann gingen die
drei wieder quer über den Platz zu der Straße,
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