Schmetterlingsschatten
wieder neuen Gesprächsstoff liefern. Doch die Polizisten schien das überhaupt nicht zu stören. Sie blieben unter dem Ahornbaum neben der Mauer stehen und wandten sich wieder zu Elena. Die Frau lächelte noch immer, während der Mann ernst aussah.
»Also, wir wollten dich etwas zu deiner Schwester fragen, zu Laura.«
Eine Mischung aus Erleichterung und Überraschung durchströmte Elena. Sie hatte also nichts falsch gemacht. Gleichzeitig überschlugen sich ihre Gedanken. Laura. Wenn die Polizei jetzt nachfragt, war es vielleicht doch Mord. Sie haben bestimmt eine Spur gefunden.Ärgerlich bemerkte Elena, dass ihre Stimme zitterte, als sie sprach. »Was ist mit Laura?«
Dieses Mal antwortete der Mann. Er bemühte sich nicht einmal, freundlich zu sein. »Weißt du, mit wem deine Schwester befreundet war? Wo sie ihre Freizeit verbracht hat? War sie häufig in der Nähe des Waldes?« Elena kam sich vor wie eine Verbrecherin, so, wie er sie ansah. Es fiel ihr nicht leicht, ruhig zu bleiben.
Angestrengt dachte Elena nach. Lauras Freunde. Ihr fiel spontan nur Malin ein, die ein paar Häuser weiter wohnte und mit der Laura früher viel unternommen hatte. Aber nachdem Malins Eltern sich getrennt hatten, war diese Freundschaft auseinandergegangen. Danach hatte Laura nichts mehr darüber erzählt, was sie tat, wenn sie nachmittags wegging.
Elena schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß nicht, was sie so gemacht hat. Sie war bei der Schülerzeitung, aber sonst…« Sie zuckte mit den Schultern und lächelte entschuldigend, »ich schätze, das ist nichts, was man seiner kleinen Schwester erzählt.«
Sie hatte gehofft, den Polizisten zum Lächeln zu bringen, aber der sah sie gar nicht an, sondern kritzelte konzentriert etwas in seinen Notizblock. Als er fertig war, fragte er: »Hast du sie jemals mit einem von diesen Jugendlichen dort drüben gesehen?« Dabei deutete er zu Tristan und seiner Clique hinüber.
Elena warf einen raschen Blick zu der Gruppe. Die anderen Polizisten standen dort und redeten mit Tristan. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Das heißt, mit Malin war sie früher mal befreundet, aber das ist lange her. Und mit den anderen…« Noch mal schüttelte sie den Kopf. Sie versuchte, sich Laura mit der Clique vorzustellen. Bei dem Gedanken musste sie grinsen. Laura und Tristan. Das waren zwei Personen, die absolut nicht zusammenpassen wollten. Nicht, dass Laura nicht auch auf ihre Art cool gewesen war, aber sie hatte einfach keinen Spaß an Partys gehabt. Sie war freundlich gewesen, hilfsbereit und engagiert. Das waren nicht gerade Eigenschaften, die Elena in den Sinn kamen, wenn sie an Tristan dachte.
Wieder machte sich der Polizist einige Notizen, dann klappte er seinen Block zu. »Danke dir, Elena«, sagte er. Es klang enttäuscht und ärgerlich. »Das war es auch schon.« Damit ließen die beiden Elena einfach stehen und stapften in Richtung Schultor. Die Beamten, die bei der Clique gestanden hatten, folgten ihnen dichtauf. Einen kurzen Moment lang überlegte Elena, ob sie ihnen hinterherlaufen sollte. Sie konnte ihnen von dem Anruf erzählen oder von dem anonymen Brief. Die Polizistin zumindest hatte ja ganz nett gewirkt und vielleicht würde es ihr guttun, sich jemandem anzuvertrauen. Doch dann musste sie wieder an Timos Vater denken und an seinen nachsichtigen Tonfall. Wenn er sie schon nicht ernst nahm, warum sollten es dann diese fremden Polizisten tun?
Elena blickte sich auf dem Hof um. Weder Vivienne noch Timo waren da. Sie hätte jetzt gerne mit jemandem über die Polizisten geredet, aber noch nicht einmal Nina war zu sehen oder Katarina oder Lisa. Die drei waren zwar geschwätziger als Vivienne oder Timo, aber immerhin waren sie locker mit Elena befreundet und hätten ihr zugehört. Wahrscheinlich tauchten sie erst kurz vor dem Beginn der Arbeit auf, weil sie bis zur letzten Sekunde gelernt hatten.
Elena starrte zu der Clique hinüber. Die Polizisten waren bei ihnen gestanden. Hatten sie etwas ausgefressen? Oder hatten sie Tristan auch nur nach Laura gefragt? Hatten Tristan und die anderen am Ende doch etwas mit Laura zu tun gehabt?
Für einen Moment machte ihr die Gruppe beinahe Angst, doch dann wandte Tristan den Kopf, fing ihren Blick auf und lächelte ihr zu. All ihre Zweifel lösten sich in nichts auf. Tristan war so freundlich zu ihr gewesen und warum sollte er sie belügen? Dafür gab es doch überhaupt keinen Grund. Elena gab sich einen Ruck und schlenderte so lässig wie möglich auf
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