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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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oder?
    «Gestern Mittag waren übrigens zwei Jungs hier, die dich besuchen wollten», sagte Rüdiger und wechselte endlich das Thema.
    «Echt?», fragte ich mit brüchiger Stimme und versuchte irgendwie, mich wieder zu beruhigen. Keine Ahnung, wer das gewesen sein könnte.
    «Ja, sie meinten, sie wären mit dir in Hannover auf der Schule gewesen und gute Freunde. Die Namen habe ich wieder vergessen. Aber sie wollten sich bei dir melden.»
    «Okay.» Irritiert biss ich vom Brot ab. Ich hatte definitiv keine Freunde in Hannover gehabt und schon gar nicht welche, denen ich so wichtig war, dass sie mich in diesem Kaff hier besuchen kamen. Also wollte sich vermutlich nur jemand einen Scherz erlauben. Großartig.
    «Ich geh ins Bett», seufzte ich, schob mich vom Stuhl und sah unentschlossen auf den vollen Tisch. «Soll ich dir noch beim Abdecken helfen?»
    «Nein, leg dich nur hin und ruh dich aus, Liebes. Vielleicht geht es dir ja morgen besser und du kannst zur Schule.» Eher nicht, aber das würde ich ihm erst morgen sagen.
    «Nacht, Paps.» Ich zwang mich zu einem Lächeln und schlurfte die Treppe rauf, um mich in meinem Bett zu vergraben. Da konnte ich mich zumindest der Illusion hingeben, dass ich irgendwo anders war, ganz weit weg von allem.
    Ramona leistete mir Gesellschaft und summte eine schöne Melodie in mein Ohr, die mich mit Wärme füllte und mich alles vergessen ließ, woran ich nicht mehr denken wollte. Erleichtert schloss ich die Augen und gab mich meinen Träumen hin.
     
    Irgendwie konnte ich meinen Vater am nächsten Tag nicht so recht davon überzeugen, dass es besser für mich wäre, zu Hause zu bleiben. «Geh doch erst mal hin und guck, wie es geht», schlug er vor, als wir in der Küche saßen und Rüdiger sich gehfertig machte. Seufzend gab ich auf und nickte langsam. «Ich kann's ja mal versuchen», sagte ich, während Rüdiger erleichtert lächelte. Offenbar hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er mir zu viel durchgehen ließ. Vermutlich hatte er jemanden um Ratschlag gebeten. Karin oder so. Dreck.
    «Dann beeil dich lieber, bevor du zu spät kommst», lächelte er, drückte mir einen Kuss auf und verschwand aus der Haustür.
    Ich hatte so wenig Lust auf die Schule, dass ich beschloss zu schwänzen. Statt mich anzuziehen und mich auf den Weg zu machen, verkrümelte ich mich also direkt wieder in meinem Zimmer und stieg zurück ins Bett, um noch etwas länger zu schlafen. Weil ich so ein schlechtes Gewissen gegenüber meinem Vater hatte, räumte ich anschließend noch auf und putzte Küche und Badezimmer.
    Gegen halb eins kam Rüdiger in seiner Mittagspause nach Hause und ich versteckte mich wieder in meinem Zimmer. Ich war gerade am überlegen, ob ich runtergehen und ihm klarmachen sollte, dass ich früher nach Hause gekommen war, weil mir so schlecht gewesen war, dass ich mich übergeben hatte (die Wahrscheinlichkeit dafür war gar nicht mal so gering, denn wenn ich an dem heutigen Tag Lennard hätte sehen müssen, wäre mir das Frühstück mit Sicherheit wieder hochgekommen), oder ob ich aus dem Fenster im Badezimmer kletterte, das in unseren Garten führte, und von dort aus ums Haus herumlief und so tat, als würde ich gerade erst von der Schule heimkehren.
    Meine Überlegungen wurden durch das Klingeln der Haustür unterbrochen und panisch lief ich zum Fenster und spähte durch den Vorhang nach unten, um zu sehen, ob es Lennard war, der mal wieder unwillkommen auftauchte.
    Erleichtert atmete ich aus, als ich drei fremde Männer auf unserer Türschwelle entdeckte.
    «Ach, hallo!», rief Rüdiger irritiert. «Ihr schon wieder! Und dieses Mal sogar zu dritt.»
    «Ja, wir wollten Cassandra besuchen», nickte der Dicke, der ganz hinten stand. Ich hatte ihn noch nie im Leben gesehen, da war ich mir sicher. Aber dass er mich bei meinem zweiten Vornamen nannte, sprach tatsächlich dafür, dass sie mich aus Hannover kannten. Da hatten mich alle so genannt. Meine Mutter hatte gedacht, wenn wir meinen Zweitnamen zu meinem Hauptnamen ändern würden, würde mir das bei einem Neuanfang helfen. Damit ich mit dem alten Leben ganz abschließen konnte. Irgendwie hatte es auch ein bisschen geholfen.
    «Sie ist noch in der Schule», erklärte mein Vater, den ich als Einzigen nicht sehen konnte, weil er zu weit unter dem Dachvorsprung stand. «Ich fürchte, ihr müsst ein anderes Mal wiederkommen.»
    «Wirklich? Wir wollten sie eigentlich von der Schule abholen, aber sie war nicht da», erklärte nun der

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