Schmetterlingsscherben
Ich hoffe, das ist okay?» Rüdiger war aufgestanden und nahm sich seinen Schlüssel vom Brett.
«Klar, kein Ding, Paps», nickte ich und nahm einen großen Schluck Kakao. Die letzten Sonntage hatten wir damit verbracht, irgendwelche Gesellschaftsspiele zu spielen, weil Rüdiger der Meinung war, wir müssten etwas Familienmäßiges unternehmen. Ich war kein großer Fan von Monopoly oder Scrabble, aber ich hatte ihm zuliebe mitgespielt. Dennoch war ich nicht allzu traurig darüber, den Tag heute für mich zu haben.
«Ich komm wahrscheinlich erst spät heute Abend wieder, ich weiß nicht, wie lange das dauert. Jedenfalls kommt Lennard vorbei, um dir ein bisschen Gesellschaft zu leisten. Ich will nicht, dass du den ganzen Tag alleine hier herumsitzt.» Er lächelte fröhlich, während mir alle Gesichtszüge entglitten. «Gott, Paps! Muss das sein?!»
Rüdiger sah mich irritiert an. «Ich hab ihn vorhin beim Bäcker getroffen und er hat das angeboten, wofür ich ihm wirklich dankbar bin.» Man sah ihm das schlechte Gewissen geradezu an. Weil er mich einen Sonntag alleine ließ. Also wirklich. «Unternehmt doch was Schönes, geht ins Kino oder setzt euch in den Garten, bestellt euch eine Pizza… Ich hab dir Geld auf den Küchentisch gelegt, lad ihn zu irgendwas ein, das ist das mindeste.» Ganz bestimmt nicht würde ich mit Lenny Lennard ins Kino gehen, wo es dunkel war und ich direkt neben ihm sitzen musste und Gefahr lief, von ihm irgendwie berührt zu werden. Und ich würde auch mit Sicherheit keinen Penny für ihn ausgeben.
«Ich hab keine Lust auf Lennard», murrte ich und leerte meine Tasse, ehe ich diese in die Spülmaschine stellte.
«Ach, stell dich nicht so an, Liebes. Ihr versteht euch bestimmt prächtig. Wo ihr doch beide so viel durchstehen musstet…» Ach daher wehte der Wind. Mein Vater hoffte, dass ich mit Lennard über meine Probleme reden konnte, weil er auch einen toten Elternteil hatte und Paps selbst so etwas nur schlecht konnte. Na immerhin wollte er mich nicht verkuppeln.
«Na schön», seufzte ich und räumte den Rest vom Tisch ab.
«Viel Spaß. Ach ja. Vielleicht findest du ja Zeit, dich mal bei deinen Freunden aus Hannover zu melden, die waren gestern wieder hier, als du bei Dora warst.» Mein Vater drückte mir einen Kuss auf die Stirn, ehe er das Haus verließ und ich das Starten des Motors draußen hören konnte. Seufzend warf ich den Kopf in den Nacken, als es auch schon an der Tür klingelte. Ich überlegte, ob ich ihm einfach nicht aufmachen und so tun sollte, als wäre ich nicht zu Hause.
«Ich weiß, dass du da bist, Ska», flötete Lennard gut gelaunt durch die Tür und klopfte dagegen. Gott, er ging mir jetzt schon auf die Nerven, obwohl er noch nicht mal richtig da war. Andererseits würde mein Vater vermutlich davon Wind bekommen, wenn ich ihn nicht rein ließ, und dann müsste ich Paps eine Erklärung dafür geben können. Und das konnte ich nicht.
Seufzend griff ich also zur Klinke und öffnete die Haustür. Lennard grinste gut gelaunt, während ich ihn nur verächtlich ansah.
«Der Bursche macht Ihnen wirklich oft seine Aufwartung», kommentierte Janus über der Tür. «Mich dünkt, er hegt ernsthafte Absichten bezüglich einer Vermählung mit Ihnen, Fräulein Louise.»
Lennard lachte los. «Mal wieder geschwänzt?»
«Ich hatte Bauchkrämpfe», knurrte ich und ließ die Tür offen stehen, während ich zurück ins Wohnzimmer ging. Lennard folgte mir und schloss die Haustür hinter sich.
«Wieso kannst du mich nicht in Ruhe lassen?», fragte ich und ließ mich aufs Sofa fallen, weil er vermutlich eh so schnell nicht wieder gehen würde.
«Ich hab's versucht», antwortete er schulterzuckend. «Hat nicht funktioniert. Tut mir leid.»
Ich seufzte genervt auf. «Du bist unerträglich.»
«Du bist hinreißend», erwiderte er. Ich verdrehte die Augen. «Wieso musst du eigentlich jedes Mal ein Treffen mit mir über meinen Vater erzwingen und kannst nicht einfach wie jeder normale Junge einfach fragen, ob wir uns sehen?!»
«Weil du nein sagen würdest.»
«Richtig! Aber ich hätte wenigstens mal die Chance dazu!»
Lennard grinste. «Wie wäre es, wenn wir in die Stadt gehen? Es ist tolles Wetter draußen und deiner ungesunden Gesichtsfarbe tut ein bisschen Sonnenschein bestimmt gut.»
«Das gehört zu meinem Gruftilook», erklärte ich und stand auf. «Und wenn du die gammelige Einkaufsstraße meinst, die ihr hier habt, dann kann man das wirklich kaum als Stadt
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