Schmetterlingsscherben
abschätzig. Ihr Blick blieb an meinen Füßen hängen. «Was ist mit deinen Schuhen passiert, Kind?»
«Ich musste sie ausziehen, weil ich sonst nicht aus dem Auto gekommen wäre», log ich und verzog das Gesicht. Martha seufzte und deutete erneut auf den Schrank. «Die Schuhe, die sie da reinstellt, zieht sie eh nie wieder an. Bedien dich.»
«Danke», murmelte ich kleinlaut. Ich war zwar nicht gerade angetan davon, in gebrauchten Schuhen herumzulaufen, aber es war allemal besser, als gar keine Schuhe zu haben.
«Das Bad ist den Flur runter links, Handtücher sind im Badezimmerschrank.» Damit warf sie uns noch einen misstrauischen Blick zu und schloss die Tür hinter sich.
«Alles okay?», fragte Lennard und beäugte mich schräg. Ich nickte und holte tief Luft. «Das ist nur alles ein bisschen viel.»
«Ich weiß», seufzte er und setzte sich auf die Bettkante. «Tut mir leid.»
«Du kannst ja nichts dafür», lächelte ich verlegen. Gott, ich hatte keine Ahnung, wie ich jetzt noch mit ihm umgehen sollte. Es war mir wesentlich leichter gefallen, ihn anzuschreien und ihm mit Spott zu begegnen. Aber jetzt?
Unsicher strich ich mir die Haare zurück und griff nach meinem Rucksack. «Ich glaub, ich werde duschen gehen, bevor es essen gibt», sagte ich und suchte nach sauberen Klamotten. Die Unterwäsche reichte noch bis Ende der Woche, ich hatte noch eine saubere Jeans und zwei Tops. Wenn der Verschleiß so weiter ging, würden mir bald die Sachen ausgehen.
«Gute Idee», nickte Lennard und öffnete den Schrank, um die Sachen darin zu inspizieren. «Ich dusch dann nach dir.»
Es gab hier oben im privaten Bereich der Familie Gott sei Dank nur wenige Räume, sodass ich das Badezimmer schnell gefunden hatte. Es war geräumig und es gab sogar eine Badewanne. Die Aussicht auf ein heißes Bad war zu verführerisch und ich ließ Wasser in die Wanne, ehe ich mich aus meinen Klamotten schälte und hineinstieg.
Die Anspannung fiel von mir ab, als ich in dem heißen Nass lag und erleichtert aufseufzte. Wir hatten eine Verschnaufpause bekommen, aber ich war mir sicher, dass sie nicht allzu lange anhalten würde. Bei Lennards Oma hatten sie uns innerhalb eines Tages gefunden. Und sie hatten Leute, die Prophezeiungen aussprechen konnten und Ähnliches. Irgendwann würden sie auch hier auftauchen. Da war ich mir sicher.
Ich verbrachte eine halbe Ewigkeit in der Badewanne, ehe ich mich abtrocknete und mir die Haare föhnte. Ich hatte das Gefühl, als ob ich mich seit Wochen nicht mehr gewaschen hatte, dabei waren erst ein paar Stunden seitdem vergangen.
Während Lennard duschte, inspizierte ich die Schuhe im Kleiderschrank. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich dem armen Mädchen ein Paar klaute und ich schob stattdessen meine letzten, zerknitterten fünf Euro in einen ihrer Stiefel, ehe ich ein ausgelatschtes Paar Turnschuhe aus dem Schrank nahm. Sie waren mir mindestens zwei Nummern zu groß und sahen aus, als hätten sie schon bessere Zeiten erlebt, waren aber immerhin geputzt worden, sodass sie nicht dreckig waren oder müffelten. Und ich war momentan ohnehin dankbar für alles, was uns weiterhalf.
Kapitel 17
„
Ich habe jetzt übrigens auch einen Namen für dich!“, rief ich und grinste gut gelaunt.
„ Wirklich? Welchen?“ Lennard sah mich erwartungsvoll an und sah von dem Buch aus, in dem wir gerade lasen. Ich stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Blaze! Das hab ich letztens in Englisch gelernt. Das heißt Flamme. Und du bist doch mein kleiner Feuerteufel!“
Lennard lachte los und sprang ebenfalls auf die Beine. „Blaze, das gefällt mir.“ Er zog mich zu sich und wirbelte mich zusammen mit ihm im Kreis herum. „Damit sind wir Feuer und Eis, wie zwei gegensätzliche Pole.“
„ Eher wie Magneten“, überlegte ich und ließ mich wieder auf den Boden des Buchladens fallen, ehe Papa kam und uns tadelte, weil wir irgendetwas umstoßen könnten. „Wir können gar nicht anders und werden immer voneinander angezogen.“
„ Aber Magneten können sich auch abstoßen.“ Blaze setzte sich im Schneidersitz neben mir.
„ Aber nur, wenn man sie falsch herum hält. Das wird nie passieren.“ Grinsend zog ich das Buch wieder näher zu uns rüber.
Martha entpuppte sich als eine großartige Köchin. Vielleicht war ich auch einfach nur so ausgehungert, dass man mich auch mit einem großen Klumpen Brot glücklich gemacht hätte. Wir saßen gemeinsam mit den anderen Gästen in dem
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