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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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großen Speisesaal und bedienten uns an dem reichhaltigen Buffet. Die meisten der Gäste waren ältere Ehepaare im Ruhestand und einige junge Familien, deren Kinder noch so klein waren, dass sie keine Schulpflicht hatten. Es herrschte reger Betrieb in dem großen Raum und alles wirkte ein bisschen chaotisch. Dennoch war die Atmosphäre voller Freude und Harmonie, weswegen ich so viel davon versuchte in mir aufzunehmen, wie eben möglich war. Es tat gut, glückliche, unbeschwerte Menschen zu erleben. Vor allem weil mein Leben seit meinem zwölften Lebensjahr nicht mehr so gewesen war und es vermutlich auch nie wieder so werden könnte.
    Blaze empfand die Situation als unangenehm. Er distanzierte sich von alledem hier, vermutlich kam es ihm heuchlerisch vor. Ich konnte das gut nachvollziehen, vermutlich mehr als jeder andere. Aber mir gab es auf eine gewisse Art und Weise Hoffnung. Andere Menschen konnten dieses Leben führen. Ein glückliches Leben.
    Lennard saß an einem Tisch ganz hinten an der Wand, möglichst abseits von den kreischenden Kindern und den lachenden Müttern. Ich nahm mir noch etwas Obst und Schokoladenpudding vom Nachtisch und steuerte damit den Platz neben ihm an.
    Er hatte mich nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen, seit ich den Tisch verlassen hatte, und schien regelrecht erleichtert, als ich nun wieder in seiner unmittelbaren Nähe war.
    «Hier.» Ich hatte ihm den gleichen Teller wie mir fertiggemacht und schob diesen nun zu ihm herüber. Das Paar uns gegenüber lächelte selig. «Wie wir damals», sagte die alte Frau und tätschelte ihrem Mann liebevoll die Wange. «Sind die beiden nicht hinreißend?»
    «Oh ja, ganz bestimmt. Wie lange seid ihr schon zusammen?», fragte nun der Mann und strahlte uns an.
    «Äh», machte ich und warf Lennard einen unsicheren Blick zu. Das hier war mehr als nur unangenehm. «Wir sind nicht zusammen», antwortete ich also wahrheitsgemäß und schob mir schnell eine große Ladung Pudding in den Mund, damit niemand bemerkte, wie ich rot wurde.
    «Ja, sie will mich nicht, ich habe schon alles Erdenkliche versucht», gab jetzt Lennard von sich und grinste schelmisch zu mir herüber. Ich ließ empört meinen Löffel sinken. Er stellte das Ganze völlig falsch dar!
    «Gib ihr noch ein bisschen Zeit. Sie will, dass du für sie kämpfst, nicht wahr? Meine Lotte war damals auch sehr zurückhaltend und abweisend», lachte der Mann. «Ich habe mich fast ein Jahr um ihre Zuneigung bemüht, ihr Liebesbriefe geschrieben und Blumen geschickt.»
    «Vielleicht sollte ich das auch mal probieren», grinste Lennard und mir platzte endgültig der Kragen. «Um ehrlich zu sein, hat er mir ziemlich wehgetan und ich weiß nicht, ob ich ihm das jemals verzeihen kann.» Ich stand vom Tisch auf und eilte zur Tür. Meinen Nachtisch ließ ich stehen, der Appetit war mir ohnehin vergangen.
    «Ska! Warte!» Lennard kam mir in den Flur nachgelaufen. Ich ignorierte ihn und marschierte weiter den Gang entlang. Mein Herz hämmerte so laut in meiner Brust, dass er es mit Sicherheit auch hören konnte. Mir war etwas flau und irgendwie hatte ich Angst. Ich hatte keine Ahnung, wie das mit uns weitergehen würde. Ob ich einfach versuchen sollte, mich darauf einzulassen und alles andere zu vergessen. Aber das konnte ich nicht. Nicht nach alledem, was passiert war. Er hatte mich so sehr verletzt damals und ich hatte eine Scheißangst davor, dass es wieder geschehen würde. Selbst wenn ich hoffte und vielleicht sogar wusste, dass er mir das niemals nochmal antun würde. Aber der Schmerz war so groß gewesen, dass ich allein bei dem Gedanken daran Schweißausbrüche bekam. Und diese Sache würde immer zwischen uns stehen.
    «Ska, würdest du bitte stehen bleiben?!» Lennard hatte mich am Treppenabsatz eingeholt und hielt mich am Arm fest. «Sollten wir nicht vielleicht mal darüber reden?» Er zog mich zu sich herum und hob mein Kinn an, damit ich ihm in die Augen sah.
    «Ich weiß nicht», krächzte ich kleinlaut. Mein Hals war wie zugeschnürt.
    «Du weißt, dass ich dir niemals wehtun wollte», sagte er jetzt und sah mich ernst an. «Und du weißt, dass ich dich liebe, oder? Mehr als alles andere auf der Welt. Würde ich sonst diesen ganzen Zirkus hier veranstalten?» Er lächelte flüchtig. «Mit dir davonlaufen? Mich von meiner Familie abwenden? Und wenn es sein muss, und das fürchte ich, wird es irgendwann, sogar gegen sie kämpfen. Du bist mein Leben. Das warst du immer. Und das wirst du immer

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