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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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Schweigen. Der Tonfall meines Vaters gefiel mir nicht. Innerlich hörte ich die Zeit verstreichen. Tick, tack. Wie lange es dauerte, bis sie uns orten würden?
    «Paps, bitte!», rief ich nun. «Es ist wirklich wichtig!»
    «Sie war völlig außer sich», murmelte er nun und seufzte hörbar auf. «Sie erzählte mir, sie hätte Besuch gehabt von einer Gruppe radikaler Jungen, die behaupteten, du wärest unheimlich begabt und könntest Dinge zum Leben erwecken. Sie hätten sie bedroht und verlangt, dich ihnen preiszugeben. Sie hatte Angst um dich, deswegen solltest du vorübergehend zu mir. Sie hat irgendwas davon gefaselt, auszuwandern. Ich weiß nicht, was mit ihr los war, Louise. Sie klang völlig durch den Wind, sie hat mir wirklich Angst gemacht. Da dachte ich, es wäre auf jeden Fall das Beste, wenn du erst mal zu mir kommen würdest. Im Nachhinein vermute ich, dass sie ebenfalls diese Krankheit hatte, Liebes. Es ist vermutlich genetisch vererbbar, du kannst gar nichts dafür. Bei ihr ist es eben nur viel später in Erscheinung getreten.»
    Diesmal war ich diejenige, die schwieg. Dass ausgerechnet mein Vater derjenige von uns Dreien sein würde, der sich weigerte, an diese Dinge zu glauben, war einfach unfassbar für mich. Er war der Träumer gewesen, schon immer. Aber selbst meine Mutter hatte offenbar doch zum Schluss an mich geglaubt. Vielleicht hatten sie ihr irgendwelche Beweise geliefert. Das konnte ich nicht sagen. Aber der Gedanke, dass meine Mutter mich letzten Endes doch nicht für verrückt gehalten hatte, war irgendwie ungeheuer tröstlich. Wie gern ich jetzt mit ihr geredet hätte.
    «Louise? Bist du noch dran?»
    «Danke, Paps», seufzte ich schließlich. «Das hat mir sehr geholfen. Mir geht es gut. Such nicht nach mir. Ich liebe dich, vergiss das nicht. Lebe wohl.» Damit legte ich auf, bevor er irgendetwas erwidern konnte, das mich doch noch schwach werden ließ. Auch wenn es nicht sonderlich herzlich und vielleicht ein bisschen abrupt wirkte, zu mehr war ich im Moment einfach nicht in der Lage.
    Draußen hörte ich das schrille Kreischen eines Vogels, das zu laut war, um von einem vorbeifliegenden Bussard oder Habicht zu stammen, und mir gefror das Blut in den Adern.
     

Kapitel 19
    «Blaze?» Ich sah ihn groß an, während er immer noch wütend auf sein neues Mobiltelefon starrte. Es war ein Geschenk gewesen zu seinem vierzehnten Geburtstag. Alle waren ganz neidisch darauf gewesen, nur Lennard selbst hasste es. Sein Vater hatte schon dreimal angerufen, seit er es besaß.
    «War das dein Papa?», fragte ich und berührte ihn an der Schulter. Lennard sah auf. Er sah zornig aus. «Nein, mein Opa», murmelte er. Er sah mich nun direkt an und sein Blick wurde weicher. «Tut mir leid, worüber haben wir geredet?»
    «Was wollte er denn? Ich wäre froh, wenn sich meine Oma bei mir melden würde», seufzte ich und strich mir die Haare aus der Stirn. «Ich hab sie seit Jahren nicht mehr gesehen.»
    «Ich mag meine Familie nicht sonderlich», antwortete Lennard nun. «Also wäre ich froh, wenn sie sich nicht melden würde.»
    «Was?» Ich sah ihn aufmunternd an. «Deine Familie ist bestimmt ganz großartig! Vielleicht lern ich sie ja mal kennen.»
    Lennard brüllte laut und warf sein neues Handy gegen die Wand. Erstaunt sah ich ihn an. «Blaze, ist alles in Ordnung mit dir?»
    «Ska…» Er drehte sich zu mir um und berührte mit der Hand meine Wange. Es sah aus, als wollte er noch irgendetwas sagen, aber offenbar entschied er sich doch noch anders, griff stattdessen nach meiner Hand und zog mich mit in Richtung Tür. «Komm, wir gehen was Essen.»

    Lennard wartete auf mich am unteren Treppenabsatz, nahm mir einen der Rucksäcke ab und warf ihn sich über die Schulter, ehe er mit der freien Hand nach meiner griff und loslief.
    «Hast du Martha bezahlt?», fragte ich im Rennen, während wir durch die Haustür stürmten und über das freie Feld vor uns liefen.
    «Gerade eben, als sie mir die Brote für dich mitgegeben hat», antwortete Lennard. Ich sah mich verzweifelt nach irgendwelchen Anzeichen für Verfolger um, aber konnte nirgends etwas entdecken. Über uns kreischte erneut einer der Adler und ich blickte gerade gen Himmel, als mich ein paar steinerne Krallen umfassten und in die Lüfte rissen. Ich schrie aus Reflex und sah mich nach Lennard um, dessen Hand ich kurz vorher verloren hatte.
    Unter uns am Boden schlug irgendetwas auf und mit einem ohrenbetäubenden Knall explodierte der Fleck, an dem

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