Schmetterlingsscherben
griff sich den Autoschlüssel, den Blaze ihr entgegenhielt. Damit verschwand sie aus dem Zimmer und Lennard ging voran über den Flur zurück zu einem kleinen Zimmer, das offenbar das besagte Gästezimmer war.
«Apropos Haustiere. Wo ist eigentlich Mercutio abgeblieben? Und wieso schnüffelt der in jedem fremden Haus herum?! Das ist gruselig!» Ich schlüpfte aus den Schuhen und warf mich rücklings aufs Bett, weil es so furchtbar einladend aussah. Auch in diesem Raum war alles aus Holz und duftete angenehm nach Kiefer.
«Er sucht jemanden wie seinesgleichen», erklärte Blaze und setzte sich zu mir. «Seit über 500 Jahren ist er auf der Suche nach jemandem, den er lieben kann. Was meinst du wohl, weswegen er so furchtbar verbittert ist?»
«Oh mein Gott», murmelte ich und vergrub das Gesicht in dem wunderbar sauberen und duftenden Kissen. «Das ist so furchtbar traurig.»
«Ja. Er ist ein hoffnungsloser Romantiker. Ich hab keine Ahnung, ob ihn sein Schöpfer schon so gemacht hat, aber ich glaube vielmehr, dass er im Laufe der Zeit dazu geworden ist. Er hat Shakespeare miterlebt und die großen deutschen Romantiker. Da ist irgendwas bei ihm hängen geblieben. Ob du es glaubst oder nicht, es war sogar Mercutio, der mir dazu geraten hat, mit dir durchzubrennen. Er meinte, wenn du es wirklich wert bist, wäre ich ein Idiot, wenn ich nicht wenigstens versuchen würde, dich zu retten.» Blaze grinste schief und ich sah jetzt durch meine zerwühlten Haare wieder zu ihm auf. «Und ich bin es wert?»
«Jede noch so anstrengende Minute und jeden Kampf, der schon war und der noch kommen wird.» Er sah mich groß aus seinen grünen Augen heraus an und mein Herz setzt einen Moment aus. Ich richtete mich auf und unsicher fuhr ich mit meiner Hand über seine Wange, ehe ich mich seinem Gesicht näherte und behutsam meine Lippen auf seine legte. Dieser Kuss war anders als der heute Morgen, viel zaghafter, nicht nur von meiner Seite aus. Ich wusste, dass Blaze Angst hatte, dass er irgendwas überstürzte, also rückte ich näher und zog ihn mit mir runter auf die Matratze. Mit zittrigen Fingern fuhr ich ihm durchs Haar, küsste ihn jetzt fordernder und schob sein Hemd am Rücken hoch.
«Ska…» Blaze hielt inne und sah mich forschend an. «Meinst du, das ist der richtige Zeitpunkt für so was?»
Ich grinste verlegen. «Auf jeden Fall.» Lennard lachte leise und seine hellen Haare fielen ihm in die Stirn. «Du bist absolut unberechenbar!»
«Und du solltest endlich die Klappe halten», konterte ich und zog seinen Kopf wieder zu mir runter. Seufzend gab Blaze seinen Protest auf, zog mich näher zu sich und küsste mich.
Kapitel 23
«Kommt schon, Leute! Das ist wichtig!» Blaze und ich standen in der Einkaufsstraße und sammelten Unterschriften für den Erhalt der Schulbibliothek. Papa hatte mich gleich dafür eingetragen, als er von dem Schulprojekt gehört hatte, weil wir so was natürlich unterstützten. Aber ehrlich gesagt, war ich nicht besonders gut darin, auch wenn ich Bücher mochte und auch die Bücherei total gern besuchte, mit ihren lustigen, bunten Wandmalereien und den ganzen tollen Kinderbüchern, von denen Papa nur wenig in seinem Laden stehen hatte. Aber ich traute mich nicht so recht, die Leute anzusprechen. Einige von denen kannte ich gar nicht und vor einigen hatte ich Angst, weil sie mich nicht mochten. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Blaze und ich den Nachmittag zu zweit in meinem Zimmer gespielt hätten.
Blaze dagegen war richtig gut darin. Er schaffte es immer, einen mit seiner Begeisterung für etwas anzustecken und mitzureißen. Glücklicherweise sammelten wir zu zweit und keiner würde je erfahren, dass Lennard die Stimmen fast im Alleingang eingeholt hatte.
Als ich aufwachte, fühlte ich mich wie neu geboren. Ich hatte keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so gut und so lange geschlafen hatte, aber ich war mir sicher, dass es noch vor dem Tod meiner Mutter gewesen sein musste. Obwohl ich unliebsam von einem schrillen Pfeifen geweckt wurde, störte ich mich daran nicht weiter.
Ich reckte mich und gähnte herzhaft, ehe ein Pochen am Fenster meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Ramona trommelte mit beiden Händen von außen gegen das Glas und mit einem Schlag war ich hellwach.
«Blaze!», rief ich und schüttelte den Jungen neben mir, der offenbar noch im Tiefschlaf war. «BLAZE!» Ich sprang aus dem Bett und raffte in Hektik meine Klamotten zusammen, um sie mir überzustreifen, während
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