Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
Schnürsenkel.«
Wiederum
ihr Nicken, während sie ihn mit voller Aufmerksamkeit betrachtete. »Wie kommst du
darauf?«
Fieberhaft
überlegte er, ohne ihren Blick zu erwidern.
»John?«,
drängte Laura.
»Ich habe
vor Kurzem einen Mann gesehen, auf den die Beschreibung passt. Er fiel mir auf,
weil er …« John kam ins Zögern.
»Ja?«, drängte
sie erneut.
»Weil er
in der Nähe meiner Wohnung rumgeschlichen ist. Na ja, er ist nicht rumgeschlichen,
aber dieser Typ hat einfach nicht so recht in die Umgebung gepasst. Schwer zu erklären.«
»In der
Nähe deiner Wohnung?« Lauras Augen erhielten etwas Stechendes. »Etwa, als ich bei
dir zu Gast war?«
»Ja«, gab
John zu. »Das ist noch nicht alles. Ich meine, ich habe ihn früher schon einmal
bemerkt. Nur wann?«
»Und wo?«
»Ja. Wo
war das?« Er konzentrierte sich, versuchte sich den Fremden ganz genau vorzustellen.
Und dann ruckte sein Kopf hoch. »Ja. Es ist mir wieder eingefallen.«
»Mach’s
nicht so spannend.«
»Vor deinem
Hotel.«
Überraschung
machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Wann?«
»An dem
Abend, als ich dich dorthin begleitete. Er kam mir entgegen, nachdem wir beide uns
verabschiedet hatten.«
»Und weiter?«
»Nichts
weiter.« John zuckte mit den Achseln. »Er und ich wechselten einen Blick, vielleicht
nicht einmal das.« Und erneut begann es, hinter seiner Stirn zu arbeiten. Ja, diese
dunklen Augen, die sich kurz auf ihn richteten.
»Fällt dir
sonst noch was ein?«
»Nein«,
antwortete John gedehnt. Wieder nagte dieses unangenehme Gefühl an ihm: Hatte er
ein Detail übersehen? Da gab es noch irgendetwas. Eine Winzigkeit, die er wahrnahm
– und zugleich nicht wahrnahm. Es war zum Verrücktwerden.
»Demnach
habe ich mich also doch nicht getäuscht«, meinte Laura nach einer Weile, fast mehr
zu sich als zu ihm. »Immer hatte ich so ein komisches Gefühl. Dann diese Sache mit
dem Auto. Auch, dass ich es später noch mehrmals sah. Aber als ich bei der Polizei
alles erzählte, klang es sogar für mich merkwürdig. Als wäre ich gar nicht mehr
ich. Ich hätte mir selbst ja nicht einmal geglaubt.« Sie lachte leise, auf einmal
fing ihr Blick ihn direkt ein. »Warum hast ausgerechnet du mir geglaubt, John?«
»Habe ich
das?«
»Nun ja,
vielleicht nicht hundertprozentig und schwarz auf weiß geglaubt. Doch ich hatte
nicht den Eindruck, dass du meine Geschichten über den Mercedes von vornherein ausschließt.
Oder täusche ich mich?«
»Ach, weißt
du, ich habe so viele verrückte Dinge in meinem Leben erlebt. Ich schließe eigentlich
nie von vornherein irgendetwas aus.«
»Ich schon«,
sagte Laura nachdenklich. »Und ich habe auch keine verrückten Dinge erlebt. Bei
mir ging immer alles einen recht normalen Weg. Doch in letzter Zeit …« Sie suchte
nach den richtigen Worten. »Schon bevor die Nachricht von Felicitas’ Tod mich erreichte:
Auf einmal war das alte Gleichgewicht nicht mehr spürbar. Ständig plagten mich Zweifel.
An mir, an meinem Beruf, an meinem Leben. Früher wäre so etwas unvorstellbar gewesen.«
Bei jedem
Wort, bei jeder Silbe hatte John an ihren Lippen gehangen. Es war, als hätte sich
da schon wieder eine neue Laura Winter ins Café geschlichen. Und diesmal vielleicht
sogar die, die am meisten von ihrem Inneren offenbarte. Die echte Laura Winter?
War sie es, die ihm gerade gegenübersaß?
»Ja, und
dann traf es mich mit voller Wucht. Zu einem Zeitpunkt, als ich ohnehin bereits
in den Seilen hing, rief mich mein Vater an, um mir stockend, mit tränenerstickter
Stimme, wie ich sie nie an ihm vernommen hatte, von einem Auto zu erzählen, das
meine kleine Schwester zerquetscht hat. Es war unfassbar, vollkommen unfassbar.«
Sie schüttelte den Kopf, wie kurz zuvor. »Tja, und dann sah es plötzlich so aus,
als hätte sich meine Schwester bereits vor ihrem Tod aus meinem Leben geschlichen.
Eines führte zum anderen, und jetzt sitze ich hier ausgerechnet mit John Dietz,
den ich von der Schule kenne. Den ich, ehrlich gesagt, nie besonders leiden konnte,
der mich wohl ebenso wenig geschätzt hat und den ich im Grunde längst vergessen
hatte. So, wie er mich vergessen hatte.«
Seine Hand
lag auf der Tischplatte und für einen knisternden Moment war er versucht, nach Lauras
Hand zu greifen, die mit der Untertasse spielte. Er beließ es dabei, sie anzulächeln.
»Offenbar«, meinte er dann, »erlebst du also doch verrückte Dinge.«
»Ja, ich
bin wohl gerade dabei.«
»Verrückte
Dinge müssen eben nicht unbedingt
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