Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
diesem bestimmten Ausdruck an. Als könne sie ihn stets mit Leichtigkeit
durchschauen. »Wen hast du vorhin angerufen, John?«
»Das verrate
ich dir nicht. Noch nicht.«
»Und wer
dieser Peter ist, das verrätst du mir dann wohl ebenfalls nicht.«
Er hielt
dem überlegenen Blick ihrer blauen Augen stand. »Nein, tue ich nicht.«
»Darf ich
wenigstens erfahren, wohin wir jetzt gehen?«
»Es ist
jetzt kurz nach zwei.«
»John, das
habe ich nicht gefragt.«
Er schlüpfte
in seine Jacke und dachte einen Moment lang an die Pistole, die er zu Hause aufbewahrte.
»Ich weiß, dass du das nicht gefragt hast.« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Um
vier Uhr macht Tante Ju für gewöhnlich Feierabend. Sie wohnt im gleichen Haus wie
ich, und ich habe vor, mir ihren Wagen auszuleihen.«
»Das Schmuckstück
gehört dir also gar nicht.«
»Nein, aber
ich denke, ich brauche das Auto.«
»Um damit
was zu tun?«
»Du hättest
Staatsanwältin werden sollen.«
»Und wer
ist überhaupt diese Tante Ju?«
»Die bezaubernde
ältere Dame, die dir heute Abend Gesellschaft leisten wird.«
Laura runzelte
argwöhnisch die Stirn. »Gesellschaft leisten? Was soll das heißen, bitte schön?«
»Mir ist
unwohl bei dem Gedanken, dich allein zu lassen. Und Tante Ju verriegelt ihre Wohnungstür
mit drei zusätzlichen Stahlschlössern. Das könnte unter Umständen nützlich sein.
Zum ersten Mal überhaupt.«
»Ich bin
kein kleines Mädchen, ich brauche keine Nanny.« Eine unüberhörbare Schärfe hatte
sich in Lauras Stimme geschlichen.
Unbeeindruckt
zwinkerte er ihr zu. »Sie ist eine tolle Frau. Ihr werdet euch großartig verstehen.«
»Und wie
wird sich unser cleverer Privatdetektiv John Dietz den Abend vertreiben?«
Er griff
nach dem Schlüsselbund auf dem Tisch und wies knapp zur Tür. »Auf wahnsinnig eintönige
Art und Weise.«
»Nämlich
wie?«
Erneut ein
Zwinkern seinerseits: »Du kannst es dir wahrscheinlich schon denken, aber das …«
»… wird
nicht verraten«, fiel Laura ihm ins Wort.
Sie verbrachten
auch die kommenden Stunden zusammen – gingen einkaufen, plauderten miteinander und
behielten dabei stets ihre Umgebung im Auge. Ein Mann im dunklen Anzug oder ein
schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben war nirgends zu entdecken. In Johns Wohnung
herrschte eine ähnlich angenehme Stimmung wie erst vor Kurzem. Laura verwandelte
sich, als hätte es die Episode im Hotel nicht gegeben, zurück in die liebenswürdige
Hausfrau und bereitete in der Küche für sie beide etwas zur Stärkung zu. Unterdessen
hatte John Tante Ju angerufen und ihr Lauras Situation in knappen Worten erklärt.
Hilfsbereit wie immer, sagte Tante Ju sofort zu, Johns Gast in die eigenen vier
Wände einzuladen und ihm das Auto zur Verfügung zu stellen. »Was würde ich ohne
dich tun, Tante Ju?«, hatte er dankbar gefragt.
»Irgendwie
anders klarkommen, mein Junge.«
Später saßen
sie zu dritt in Tante Jus Wohnzimmer, das genauso staubig und mit allerlei Krimskrams
überfüllt war wie ihr Kellerbüro bei der Zeitung. Die beiden Frauen beschnupperten
sich, während Johns Blick immer wieder zu seiner Armbanduhr huschte. Er hatte Laura
nicht angelogen: Diesen Abend würde er tatsächlich auf besonders eintönige Art und
Weise verbringen. Und dennoch registrierte er ein Kribbeln, das sich irgendwo in
seinem Magen eingenistet hatte.
Als er sich
von den Frauen verabschiedete, sah er kurz in Lauras Augen, in denen etwas betont
Unbeteiligtes aufschimmerte. Er reichte ihr einen Ersatzschlüssel zu seiner Wohnung
und kündigte an, dass es spät werden könne und sie sich wie zu Hause fühlen solle.
Ein flüchtiges
Dankeschön war alles, was sie erwiderte. Nachdem John die Wohnungstür hinter sich
zugezogen hatte, wartete er, bis er beruhigt hörte, wie Tante Ju die drei Eisenriegel
vorschob und abschloss. Er verließ das Gebäude und ging zur Garage, die sich gegenüber
des Eingangs befand. Es war zehn Minuten nach fünf, der Himmel überzog sich mit
einem Geflecht aus dunklen Wolken. Die Glock-Pistole, irritierend leicht, beinahe
wie eine Spielzeugwaffe, spürte er in der Innentasche auf seinem Herzen. In Gedanken
sah er das schmale, glatt rasierte Gesicht des Unbekannten vor sich, die aufmerksamen
Augen darin. Er öffnete das Garagentor, setzte sich hinters Steuer und versuchte
dabei, den aufdringlichen Vanillegeruch zu ignorieren. Der Motor brummte auf, und
als der alte Ford langsam ins Freie ruckelte, erschien wie aus dem Nichts eine Gestalt
vor
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