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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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ihm zu heiß. Meine Tochter hoffte,
dass sich dadurch für sie vielleicht etwas ändern könnte. Dass sich die Chance zur
Flucht ergab. Ich wollte ihr noch Fragen stellen, doch auf einmal war die Verbindung
unterbrochen.« Smolarek seufzte. Er blickte zu John, dann wieder vor sich hin. »Ich
brach sofort auf. Nach Frankfurt. Ich ging zur Polizei. Man hörte sich an, was ich
zu sagen hatte, und versprach, der Angelegenheit nachzugehen. So nannten sie es.
Eine Angelegenheit. Für mich aber ist es eine Tochter. Ein Mensch, eine junge Frau.
Ich wartete im Hotelzimmer. Ging täglich zur Polizei, um mich nach dem Stand der
Ermittlungen zu erkundigen. Nichts. Nichts. Nichts.« Erneut ein Aufseufzen. »Dann
rief mich meine Frau an. Sie sagte, unsere Tochter habe sich noch einmal gemeldet.
Unsere Kleine war gar nicht mehr in Frankfurt.«
    »Sondern
in Freiburg«, entfuhr es John leise.
    Smolarek
nickte. Er berichtete davon, wie er mit der Bahn von Frankfurt abreiste. In Freiburg
suchte er die Polizei auf, erzählte von Neuem alles, was er wusste. »Es war immer
das Gleiche. Nichts, nichts, nichts. Ich hatte nicht mehr genügend Geld für ein
Hotelzimmer. Meine Reisetasche brachte ich zu einem Schließfach am Hauptbahnhof.
Anders als in Frankfurt fragte ich bei der Polizei nicht mehr nach. Es war sowieso
sinnlos. Nichts. Keine Spur meiner Tochter. Ich versuchte, sie auf eigene Faust
zu finden, stellte Fragen. Aber kein Mensch konnte mir weiterhelfen. Und irgendwann
drehte ich durch. Mein armes kleines Mädchen. Ich werde sie niemals wiedersehen.
Ich weiß es.«
    Seitdem
Smolareks Stimme durch den engen Raum waberte, musste John daran denken, dass Blanca
etwas von einem Foto erwähnt hatte. Damals, als zum zweiten Mal von diesem Mann,
von diesem traurigen Bären, die Rede war. »Sie haben ein Foto herumgezeigt, nicht
wahr?«
    Der Tscheche
verstand und begann, in den Taschen seines Parkas zu wühlen. Gleich darauf übergab
er John eine Fotografie.
    John starrte
darauf, sekundenlang, und er merkte gar nicht, dass sein Mund dabei offenstand.
    »Herr Smolarek
fragt«, wandte sich der Koch schließlich an ihn, »ob du sie schon einmal gesehen
hast.«
    Er sah auf,
in Gedanken wieder bei den Dingen, die Tante Ju ihm erzählt hatte. »Leider nicht.
Äh, Herr Smolarek, Ihre Tochter – heißt sie Maja?«
    Smolarek
schüttelte den Kopf. »Helena.«
    John runzelte
die Stirn. Da passte etwas nicht zusammen. »Nein? Nicht Maja? Sie wurde niemals
Maja genannt?«
    »Helena.«
    Und erneut
musste John die junge Frau anstarren. Anfang 20, schlank, das Haar fiel tiefschwarz
auf die zierlichen Schultern. Sie strahlte vergnügt in die Kamera, ihre Hand winkte,
sorgte so für eine Unschärfe in der Aufnahme. Sie trug ein T-Shirt und Jeans. Hinter
ihr erstreckten sich Felder, ein Wald bildete den Horizont, wahrscheinlich die Landschaft
ihrer Heimat.
    John gab
dem Mann das Foto zurück und reichte ihm anschließend die Fotografie, die er von
Laura erhalten hatte. Irritiert nahm Pavel Smolarek sie entgegen. Überraschung machte
sich auf dem Gesicht breit. Smolarek war drauf und dran, Felicitas Winters Abbild
zu küssen, als sich seine Brauen zusammenschoben. Er murmelte etwas und schüttelte
den Kopf.
    »Herr Smolarek
glaubte im ersten Moment, das wäre ein Foto seiner Tochter«, erklärte der Koch.
    »Ich dachte
es mir.« John nahm Felicitas’ Foto wieder an sich. »Der große Boss, den er erwähnt
hat. Weiß er, wie der Mann heißt?«
    Nein, Smolarek
wusste das nicht. Alles, was er zu berichten hatte, war bereits gesagt worden.
    »Ich frage
mich, wie wir ihm helfen können«, meinte John zu Pavel, dem Koch.
    »Lass das
zunächst mal meine Sorge sein.« Er erhob sich von dem Hocker, verfolgt von Smolareks
Blicken. »Das ist mein Landsmann. Ehrensache, dass ich mich um ihn kümmere.«
    John nickte
ihm dankbar zu und war mit den Gedanken bereits wieder woanders. Die Fäden mit den
losen Enden, die er anfangs in den Händen gehalten hatte, schienen nun doch zusammenzuwachsen.
Wie viel war geschehen, seit Tante Ju ihm in ihrem Büro von der stummen Maja erzählt
hatte. Ja, ohne Tante Ju ¼
    Tante Ju!
    Er hatte
vergessen, sie zurückzurufen. Schon wieder! Das musste er sofort nachholen. Oder
er suchte sie einfach in der Zeitung auf – es war mehr als genug Zeit, bis sie Feierabend
machen würde. Und in zehn Minuten wäre er dort. Aber nicht nur an diese alte eigenwillige
Dame musste John denken, auch an Laura. Er zog sein Handy aus der Tasche und

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