Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
»Eine Schnapsidee! Was auch sonst?«
Er stand auf, und in diesem Moment erspähte er durch den Türspalt die schlanke sportliche
Gestalt, die in Jogginghosen und Sweatshirt lässig den Gang entlangschlenderte,
die langen wallenden Haare mit einem Frotteestirnband gebändigt. Wie hatte die blonde
Studentin diesen Kerl genannt?
John rührte
sich nicht.
Der Mann
ging an der Küche vorbei. Die Sohlen seiner Sportschuhe quietschten leise auf dem
Boden.
In der Küche
zählte John lautlos bis fünf und zog die Pistole aus der Innentasche. Vorsichtig
schob er sich nach draußen. Der Mann mit dem Stirnband hatte gerade den Schlüssel
im Schoss seiner Zimmertür gedreht. Und schon war John hinter ihm. Er versetzte
dem Mann einen Stoß, der ihn durch die aufschwingende Tür ins Innere katapultierte.
John trat ins Zimmer. Mit der Linken schloss er die Tür, die Rechte hielt die Waffe,
deren Mündung auf den Mann wies, der sich aufrappelte. In den schwarzen stechenden
Augen zuckte es. Falls er überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken.
»Hallo,
Santiago«, sagte John, der im Gegensatz dazu seine Anspannung kaum zu verbergen
vermochte.
Die schwarzen
Augen betrachteten ihn.
John trat
einen Schritt auf ihn zu und riss ihm Perücke mitsamt Stirnband vom Kopf. »Oder
soll ich Alex sagen?«
Der Mann
lächelte. Arrogant. Kalt. Nicht im Mindesten eingeschüchtert.
John ließ
die Perücke fallen, holte das aus der Jackentasche, was er im Erotikshop erstanden
hatte und warf es Alex vor die Füße. »Leg dir die Dinger an. Mit Ketten kennst du
dich ja aus.«
Wenigstens
die Handschellen mit dem pinkfarbenen flauschigen Plüschbesatz zwangen Alex zu einem
verdutzen Aufsehen. »Soll das ein Witz sein?«, fragte er. Mit seinem Akzent, der
weniger nach seiner Rolle als Südamerikaner Santiago, sondern eher nach dem Osteuropäer
klang, der er in Wirklichkeit war.
»Ein Witz?«
John sah ihm ins Gesicht. »Nichts ist ein Witz. Und das liegt an dir und deinen
Freunden.«
»Leck mich
doch.«
»Die Handschellen«,
knurrte John.
»Und dann?«
Ein fieses Grinsen. »Willst du mich auspeitschen?«
»Leg die
blöden Dinger an.« Alles war in einer gefährlichen Schwebe, Sekunden, die entscheiden
konnten – John spürte das.
»Hast du
schon mal auf jemanden geschossen, kleiner Detektiv?« Provozierend standen die Worte
in der abgestandenen Luft. »Könntest du es, wenn’s drauf ankommt?«
»Willst
du es rausfinden? Die Handschellen.« John fühlte eine tiefe Erleichterung, als Alex
sich bückte und tat, was von ihm verlangt wurde. Die Ringe klickten um die Handgelenke.
»Wirklich
süß«, murmelte Alex herausfordernd, weiterhin mit diesem Grinsen.
»Ich weiß,
du schielst zu dem kleinen Hebel, mit dem man solche hübschen Spielzeuge normalerweise
aus Sicherheitsgründen öffnen kann.« John taxierte ihn. »Da muss ich dich enttäuschen.
Mit einer Zange habe ich das Hebelchen so verbogen, dass es unbrauchbar ist. Das
heißt, dass sich die Handschellen jetzt ausschließlich mit dem Schlüssel öffnen
lassen – genau wie die, die sonst die Polizei benutzt.« John war mehr als erleichtert,
in Tante Jus Handschuhfach auf diesen kleinen Werkzeugsatz gestoßen zu sein. »Habe
ich gut gemacht, was?«
Keine Antwort
– aber Alex nahm selbst diese Erläuterung aufreizend gelassen hin.
Die Einrichtung
des Zimmers bestand aus einem Kleiderschrank, einer Liege, mehreren Hanteln und
einem Flachbildfernsehgerät. John öffnete den Schrank – darin hingen dunkle Anzüge,
in den Fächern lag Sportkleidung. »Tagsüber hältst du dich fit und abends führst
du die Mädchen aus. Stimmt’s?«
Der Mann
hielt die Lippen geschlossen, hob gelangweilt die verketteten Hände und zeigte John
den ausgestreckten Mittelfinger.
»Das ist
deine Aufgabe, oder? Den charmanten Latino-Herzensbrecher spielen, leichtgläubige
Studentinnen unter Drogen setzen und dazu bringen, ein anderes Leben anzufangen?«
John wollte sich unter Kontrolle halten, doch er merkte, wie Wut und Abscheu die
Oberhand gewannen. »Und manchmal überfällst du unschuldige Frauen in ihrem Hotelzimmer
– um ihnen einen kleinen Schrecken einzujagen. Oder? Wenn sie rumschnüffeln und
euch damit auf die Nerven gehen.«
»Ach leck
mich.« Ein lässiges Zucken im Mundwinkel.
»Die Frauen,
die für euch arbeiten müssen. Die habt ihr aus Frankfurt mitgebracht, das stimmt
doch, oder? Frauen wie Helena Smolarek.«
»Helena
wer?« Ein abfälliges Heben der Augenbrauen.
»Nach
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