Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
so weit gedrungen, dass es John mit seinen eigenwilligen
Detektiv-Bemühungen in der Nähe des Flückigersees etwas übertrieben hatte? Oder
Laura? War etwas mit Laura?
»Herr Dietz,
sind Sie noch dran?«
»Na sicher.«
Während er langsam weiterging, bemühte er sich um einen besonders entspannten Tonfall.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ermitteln
Sie gerade in einem bestimmten Fall?«
Ja, dachte
John, tue ich. Und eigentlich auch wieder nicht. »Sie wissen ja, dass ich Ihnen
darüber keine Auskunft geben kann.«
»Das ist
mir klar.« Der Kommissar klang, als hätte er keine andere Antwort erwartet. »Aber
Sie kennen Laura Winter. Richtig?«
Unbeabsichtigt
rempelte John jemanden an, und wieder überhörte er die Beschwerden. Schnickler,
Schnickler, überlegte er fieberhaft. Das war der Juniorchef, wie Laura ihn scherzhaft
genannt hatte. Und dem sie offenbar nicht so ganz über den Weg traute. Genau so
hatte sie sich ausgedrückt.
»Herr Dietz?«
»Ja, ja,
bin noch dran.« John blieb unter einer der Arkaden der Kaiser-Joseph-Straße stehen.
»Der Empfang ist nur schlecht«, log er.
»Ist Ihnen
inzwischen eingefallen, ob Sie Laura Winter kennen?«
»Ist irgendetwas
mit ihr?«
»Sie kennen
Sie also?«
»Wieso möchten
Sie das wissen?«
»Na gut,
ganz wie Sie meinen«, erwiderte Kommissar Schnickler kurz angebunden. »Herr Dietz,
ich muss auf jeden Fall mit Ihnen sprechen. Sie können es sich aussuchen. Entweder
Sie kommen bei mir im Büro vorbei oder wir treffen uns in der Stadt. Vorhin war
ich zufällig in der Nähe Ihrer Detektei. Ich habe geklingelt, aber es hat niemand
aufgemacht.«
Mannomann,
der hat’s ja eilig, dachte John. Hatte Eisenring ihn tatsächlich angezeigt? Quatsch,
der wusste ja nicht einmal, wie er hieß. Und Laura hatte gegenüber der Polizei seinen
Namen nicht erwähnt. Das hatte sie doch gesagt, oder? Mensch, Johnny, du bist viel
zu vergesslich für einen Privatdetektiv.
»Herr Dietz?«
»Tut mir
leid, die Verbindung ist wirklich schlecht. Ich kann Sie kaum verstehen. Aber klar
– wir können uns treffen.«
»Passt es
Ihnen in exakt einer Stunde?«
Zweifellos
ein zielstrebiger junger Mann, der gute Herr Schnickler. »Das passt bestens. Treffen
wir uns doch einfach am Bertoldsbrunnen.«
»Okay, abgemacht.
Wir werden uns schon erkennen.«
»Sagen Sie,
Herr Kommissar?« John konnte die Frage einfach nicht herunterschlucken. »Mit Frau
Winter ist doch nichts, oder? Ihr ist nichts zugestoßen, oder?«
»Zugestoßen?
Wie kommen Sie darauf?« War da plötzlich ein schärferer Ton in der Stimme?
»Ach, einfach
nur so.«
»Also dann,
Herr Dietz. In exakt einer Stunde.«
John schob
das Handy in die Tasche und atmete erst einmal durch. Was würde er diesem Schnickler
sagen? Wie viel würde er ihm sagen? Eine Stunde. Wie konnte er die nutzen?
John ging los und tastete gleich wieder nach dem Handy. Erneut versuchte er – ohne
sich allzu große Hoffnungen zu machen –, Laura zu erreichen.
Vergeblich.
Mist!, fluchte
er in sich hinein.
Das, was
er zuvor zu Tante Ju gesagt hatte, entsprach tatsächlich der Wahrheit: Er wusste
nicht so genau, wohin er musste, welcher Schritt der nächste sein sollte. Das wurde
ihm auch in dem Moment klar, als er sich hinter das Steuer von Tante Jus Fiesta
setze und den Motor startete. Zu viele Gedanken huschten durch seinen Kopf. Zu viele
Fragen. Er ließ sich vom Verkehr schlucken, der um die Fußgängerzone kreiste, schaltete
das Radio an und wieder aus, hustete den unsäglichen Vanilleduft aus seinen Lungen,
und wiederum überfiel ihn dieses unterschwellig nagende Gefühl, etwas übersehen
zu haben. Sicher, so manches war ans Licht gekommen, jedenfalls so gut wie. Doch
das reichte nicht. Felicitas Winter bewahrte weiterhin ihre dunklen Geheimnisse.
Zum hundertsten Mal ging John die Unterhaltungen durch, die er geführt hatte, zum
hundertsten Mal sah er die Gesichter vor sich, die ihn angeblickt hatten. Rainer
Metzler und Piet Eisenring. Chantal in der Belfortstraße. Pavel Smolarek und die
traurige Geschichte über dessen Tochter Helena. Der Messerschwinger mit dem Spitznamen
Wala. John versuchte, sich den anderen Unbekannten vorzustellen, der Laura im Hotelzimmer
überrascht hatte: Alex. Schmales Gesicht, kurzes schwarzes Haar. Ganz sicher, das
musste der sein, der ihm selbst aufgefallen war – vor dem Hotel und in Zähringen,
in unmittelbarer Nähe von Johns Wohnung. Diese Augen – stechend. Diese Augen. Etwas
an ihnen kam John bekannt vor.
Weitere Kostenlose Bücher