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Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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nächsten zwei Wochen zwei Großfeldspiele und ein Hallenturnier mit der Autorennationalmannschaft angestanden hätten. Ich weiß gar nicht, wie ich ohne Sport leben soll, ich kann doch nichts anderes. Vielleicht sieht man mich demnächst auf dem rechten Bein hüpfend durch den Humboldthain joggen.
    Wenigstens kann man bei Zerrungen, Verstauchungen und Muskelfaserrissen ziemlich genau voraussagen, wie lange die Heilung dauern wird. Und auch die Mittel sind erprobt: hochlegen, kühlen, ruhigstellen. Bei emotionalen Verletzungen sieht das anders aus. Mein Cousin, der in einer psychiatrischen Klinik arbeitet, sagte mir, daß sie viele Durchgangspatienten hätten, die nur kurz bei ihnen bleiben, der längste Fall war jemand, der nach zwei Jahren entlassen wurde. Sollte ich einfach zwei Jahre in eine Klinik gehen und danach von vorn anfangen?
    Der Fuß hätte natürlich auch gebrochen sein können oder eine Sehne gerissen. Deutschland könnte der Welt morgen den Krieg erklären und ich einen Einberufungsbefehl bekommen. Meine Wohnung könnte abbrennen, ein Meteorit könnte meinen Computer treffen, bevor ich abgespeichert habe, der Fernsehturm könnte in Westberlin stehen. Ich könnte zwanzig statt sechs Lipome in den Armen haben und immer noch Jungfrau sein. Ich könnte kein Englisch und »Curb Your Enthusiasm« nicht sehen können. Ich könnte im Ruhrgebiet geboren sein, hinter einer Autobahnschallschutzmauer, als fünfter Sohn des Betreibers eines Bowling-Paradieses.
    Man müßte es schaffen, dankbar zu sein, ohne sich deshalb gehirngewaschen zu fühlen.
    Die Gefangene, S. 257–278
    Liegt es daran, daß man anderes im Kopf hat? Der heutige Abschnitt war für mich der bisher unergiebigste. Man fühlt sich wie bei einem Verwandtenbesuch, wo man endlos Geschichten anhören muß, während man in Gedanken bei Dingen ist, die man niemandem erklären könnte.
    Interessant war immerhin, daß nun auch die Pariser Untergrundbahn zum ersten Mal erwähnt wurde.
    Albertine hat wieder einmal gelogen, sie hatte ja zu den Verdurins gewollt, was ihr von Marcel ausgeredet worden war. Statt dessen ist er selbst dorthin unterwegs um herauszufinden, aus welchem Grund es Albertine dorthin gezogen hatte. Nun erfährt er, daß für heute bei den Verdurins die Tochter Vinteuils und ihre Freundin angekündigt sind, also die beiden fatalen Mädchen, die ihm schon längere Zeit Kopfzerbrechen bereiten. Die Nachricht setzt ihm zu: » Sie werden ja ganz grün «, sagt der Baron.
    Nun hat er wieder einen neuen Grund gefunden an Albertines Tugend zu zweifeln. » Bei jedem neuen glaubt man, das Maß sei voll, man könne ihn nicht mehr ertragen, dann aber findet man trotz allem auch noch für ihn einen Platz. « Wir haben nun mal dieses übersensible Herz bekommen. » Von unserm Gehirn wollen wir gar nicht reden, denn unser Denken mag während dieser Anfälle zwar unendlich lange mit sich selbst debattieren, es hat keinen größeren Einfluß auf sie als unsere Aufmerksamkeit auf einen Zahnschmerz, der uns namenlos quält. «
    Die Freunde, die einen womöglich sogar bewundern, leiden darunter, daß einen solche Nichtigkeiten ins Grab bringen: » Aber was können sie dabei tun? Wenn ein Dichter an einer infektiösen Lungenentzündung dahinsiecht, kann man sich dann vorstellen, daß seine Freunde den Pneumokokken erklären, dies sei ein hochbegabter Mann und sie müßten ihn Heilung finden lassen? « Allerdings sollte man es vielleicht, nur weil es so verrückt klingt, ja doch nicht unversucht lassen, man weiß ja nie. Also, liebe Freunde, erklärt den Influenza-Viren bitte, welche Bedeutung ich für euch habe, und daß es ihnen keine Ehre macht, sich an einem kranken Mann zu vergreifen.
    Dieses elende Hin und Her: » Nachdem die im Trocadéro lauernde Gefahr gebannt war, hatte ich ein Gefühl vollkommenen Friedens verspürt, ich glaubte, ihn für immer wiedergewonnen zu haben. « Das ist das Eigenartige an diesen beiden Zuständen, daß sie immer absolut auftreten. Als Eifersüchtiger oder Liebeskranker kann man sich, obwohl man es besser weiß, nicht vorstellen, jemals wieder zu gesunden, erlebt man aber einmal einen Moment des Friedens, weil von ihr das richtige Wort kam (oder weil man es im Moment noch nicht so interpretiert, daß das Gutgemeinte einen verunsichert), dann schüttelt man den Kopf, wie man erwogen haben konnte, sein Leben hinzugeben, nur um sich eine Woche Leiden zu ersparen.
    Es gibt wieder ein paar Todesfälle unter unseren

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