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Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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nachträglich koordiniert «. Es gilt » tiefer in mich selbst hinabzusteigen «. (Wie oft hört man: »Du mußt von dir loskommen.« »Denk dir mal was aus.« »Du interessierst niemanden.« »Die jungen Autoren kreisen nur um ihr Ich.«)
    » Weil aber die Menschen in dieser Weise noch alle Stunden der Vergangenheit enthalten, können sie denen, die sie lieben, so viel Leid antun, denn damit hegen sie in ihrem Innern auch viele Erinnerungen an Freuden und Wünsche, die für sie schon ausgelöscht sind, aber so grausam noch für den, der den geliebten Leib, um dessentwillen er an Eifersucht krankt – an einer solchen Eifersucht, daß er seine Zerstörung wünscht – betrachtet und in seiner gesamten Erstreckung über die Ebene der Zeit erblickt. « Schlechte Aussichten für eine späte Altersheimromanze, es sei denn, die Frau wäre vorher noch nie verliebt gewesen.
    Er ist also verurteilt, nicht nur tiefer in sich hinabzusteigen, sondern sich an alles zu erinnern, denn sein Werk wird » die durch das Gedächtnis vollzogene Wiederschöpfung von Eindrücken « sein. Bei dieser Vorstellung aber befällt ihn schon jetzt » ein Gefühl der Ermüdung und des Grauens «. Es ist, als habe sich die Zeit unter ihm abgelagert, der er » auf ihrem schwindelnden Gipfel hockte und mich nicht rühren konnte «. Deshalb bewegen sich alte Menschen so zittrig, als ob sie » alle auf lebendigen, unaufhörlich wachsenden, manchmal mehr als kirchturmhohen Stelzen hockten, die schließlich das Gehen für sie beschwerlich und gefahrvoll machten, bis sie plötzlich von ihnen herunterfielen «.
    Verlorene Praxis:
    – Jene Barbarenfeste besuchen, die man als Abendessen in der Stadt bezeichnet.
    – Ein Werk schreiben, das wie eine Kirche ist, in der die Gläubigen nach und nach Wahrheiten entdecken, Harmonien und den großen Plan erkennen, der dem Ganzen zugrunde liegt.
    – Ein Werk schreiben, das wie ein Druidenmal auf dem Gipfel einer Insel für immer unbesucht dastehen wird.
    – Dem Beifall der jetzt lebenden Elite völlig indifferent gegenüberstehen.
    – Soweit man die Bewegung seiner Lippen noch verspürt, ein kleines Lächeln in einem winzigen Winkel seines Mundes zustande bringen, wenn eine Dame einem schreibt: » Ich war sehr erstaunt, keine Antwort auf meinen Brief zu erhalten. «
    – Sich nicht ohne Grauen ein Werk vorstellen können, das von seinen Lieblingsbüchern verschieden ist.
    – Versuchen, seine gegenwärtige Liebenswürdigkeit noch auf der Höhe derjenigen zu halten, die andere Leute für einen aufwenden.
    Selbständig lebensfähige Sentenz:
    – » Wie viele gewaltige Kathedralen bleiben unvollendet! «

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