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Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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mit drei Kilo Kleidung nach Hause. Drei Kilo mehr, die ich beim nächsten Umzug zu schleppen hätte.
    Anruf bei Judith Hermann, die per Mail für die »Weltchronik« absagen wollte, weil sie schreiben müsse. Meinen Anruf hätte sie gerne vermieden, ich wolle sie mit meiner »Schwejkstimme« bestimmt überreden, was ich dann ja auch versuche. Sie könne auf der Bühne alles machen, Musik vorspielen, die ihr in dem Monat gefallen hat, ein Paniktagebuch vorlesen, wir können im Selbstversuch ihre Beruhigungstabletten schlucken, ich könne ihre Texte vorlesen und sie meine, sie könne auch die ganze Zeit hinter der Bühne bleiben, und wir projizieren ihre Hände auf die Leinwand. Als redete ich auf eine abtrünnige Geliebte ein, und genau wie dabei spüre ich schon, daß es keine Hoffnung gibt. Sie verschiebt die Entscheidung auf den Abend. Hinterher fällt mir ein, daß ich ihr hätte sagen können, daß ich mich bei H&M neu eingekleidet habe. Das ist ja auch das Problem mit der anderen: Wenn ich ihr zufällig wiederbegegne, will ich die neuen Sachen anhaben, aber ich weiß nicht, wann und wo das sein wird.
    Abends bei Helge Schneider im »Admiralspalast«, die Eltern hatten hier vor unserer Geburt zehn Jahre lang Konzerte des BSO abonniert und noch Igor und David Oistrach gesehen. Noch früher ist hier die SED gegründet worden. Wie fasziniert ich in der Oper immer vom Deckenleuchter war, wen es erwischt, wenn er runterfällt. Vielleicht habe ich die Pankowerin ja als Kind mal im »Nußknacker« als Maus oder Spielzeugsoldat gesehen und seitdem gesucht?
    Die neue Cordhose hat schon ein Loch.
    Zu Hause ein Anruf von Judith Hermann, sie hat eine Münze geworfen und wir haben verloren. Bestimmt werde es auch ohne sie ein Erfolg. Sie klingt genau wie die andere, der mitfühlende Ton, als sie mir mein Todesurteil verkündete. Bei der Nächsten werde es bestimmt klappen. Die ganze »Weltchronik« wieder auf der Kippe, neuen Gast finden, Flyer und Plakate neu gestalten. Und die Enttäuschung, wenn man eine geniale Idee hat und keiner läßt sich darauf ein.
    In einem Internetforum wird ein Text von mir kommentiert, ich könne es doch, warum ich dann immer diese »Ich lese jetzt was Langweiliges«-Texte lesen würde.
    Am Morgen doch wieder bei ihr angerufen und einen Rückfall erlitten. Es gibt also einen anderen, mit dem sie sich »wohl fühlt«, man hätte es wissen müssen. Daß man jedesmal denkt, es sei noch nie so schlimm gewesen. Vielleicht empfindet man es im Alter auch als schlimmer, weil sich nichts zu ändern scheint und nur immer weniger Zeit bleibt. Unter der DDR hätte ich ja heute auch mehr gelitten als mit neunzehn.
    Die Entflohene, S. 317–337 (Schluß)
    Der junge Marquis de Cambremer ist übrigens auch » so «. Inzwischen wäre es schon sinnvoller mitzuteilen, wenn einer es nicht ist.
    Mit Gilberte freundet Marcel sich wieder an. So ist es mit alten Freundschaften, die wie ehemalige Minister in der Politik » und auf dem Theater vergessene Stücke wieder vorgeholt werden. […] Nach zehn Jahren existieren die Gründe, weshalb der eine zu einem allzu anspruchsvollen Despotismus neigte und der andere diesen nicht ertragen konnte, im Bewußtsein nicht mehr «.
    Und auch an Gilberte wird bewiesen, daß Liebe das größte Hindernis auf der Suche nach Glück ist: » Was ihr immer unerträglich und unmöglich erschienen war, tat sie jetzt: ohne daß wir uns jemals über den Grund der Veränderung ausgesprochen hätten, war sie immer bereit, zu mir zu kommen, und hatte es niemals eilig, mich wieder zu verlassen; das kam daher, daß ein Hindernis seither verschwunden war, nämlich meine Liebe. «
    Im übrigen hält er sich inzwischen eine junge Person in seiner Wohnung, die er zum Schlafen in der Nähe braucht, wie andere » das Murmeln eines Sees «. Es handelt sich aber nicht um Liebe, sondern eher um eine Kopie der Beziehung zu Albertine und ist dem Autor nur eine Fußnote wert.
    Zustände wie bei »Dallas«, denn Morel verführt, nachdem er Charlus abserviert hat, nunmehr Saint-Loup, der gerade Gilberte geheiratet hatte. Wie kann er nur, ein Mann wie Saint-Loup? Aber man sollte nicht moralisch über die Seitensprünge anderer urteilen, weil » die ›Dummheit‹, die ein Mann begeht, wenn er eine Köchin oder die Geliebte seines besten Freundes heiratet, im allgemeinen die einzige poetische Handlung darstellt, die er im Laufe seines Lebens begeht «.
    Wie lange Saint-Loup schon » so « sein könnte, wird nun

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