Schmidts Bewährung
er mit den Kindern in dem Haus in den Berkshires bleiben, das ihnen gemeinsam gehört. Es sind süße kleine Jungs. Das ist natürlich noch ein Grund, warum Harry kein Geld hat: Er zahlt Unterhalt für die Kinder und für seine Frau.
Und er weiß genau, daß es sinnvoll für ihn ist, eine Stelle mit festem Gehalt aufzugeben und als Geschäftsmann ganz von vorne anzufangen?
Dad, das ist eine Riesenchance. Wir wissen, daß wir’s schaffen können. Harry kommt nie aus dem Loch, wenn er nicht richtig Geld macht und etwas besitzt.
Ich verstehe.
Und ob er verstand. Ein geschiedener Mann mit zwei Kindern, mit Verpflichtungen gegenüber der Ehefrau und ohne nennenswertes Geld auf dem Konto, der Charlottes Geld für seinen neuen Betrieb braucht. Bis es soweit ist, kann man ja Ferien in einem Tenniscamp machen, warum denn nicht? Das schien eindeutig genug: keine Notwendigkeit der Nachfrage. Wer weiß, vielleicht entschloß sie sich sogar, ihm mehr zu erzählen. Allerdings machte sie keine Anstalten, weiterzureden.
Deshalb fuhr er fort: Richtig, ich möchte ihn kennenlernen. Je eher, desto besser. Können wir denn jetzt von Jon reden, Charlotte? Ich habe dir gesagt, daß ich mit Jack DeForrest gesprochen habe. Ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll.
Also gut, Jon ist ein Arschloch. Aber er hat diesem Miststück den Schriftsatz nicht gegeben, sie hat ihm die Papiere aus der Aktentasche geklaut, und er ist so durchgeknallt, daß er sie nicht verpetzen kann. Das ist das Problem in Kurzfassung, und es ist sein Problem. Ich will mich von ihm trennen. Oder was schlägst du vor? Willst du sonst noch was wissen? Du bist sicher froh, daß du recht behalten hast mit Jon.
Nein, das war er nicht, Gott sei Dank. Zur bösen, rachedurstigen Fee war er nicht geworden. Hexenkünste hatte er nie angewendet und nicht auf eine derartige Vergeltung gehofft. Diesen Teil der Mahnung hatte er beherzigt, die ihm die Seelenklempnerin Renata im Rahmen jener absurden, unverzeihlich seine Privatsphäre mißachtenden Lektion erteilt hatte, gleich bei der ersten Begegnung, unmittelbar nach dem Thanksgiving-Essen der Familie Riker, an dem er teilgenommen hatte, weil seine Tochter und ihr schwachsinniger Verlobter ihn mit erpresserischen Methoden dazu gezwungen hatten. Ja, er hatte Jon Riker im Lauf der Zeit immer unausstehlicher gefunden. Renata ging nicht fehl, und Jon auch nicht, falls sie wahrheitsgetreu wiederholte, was Jon ihr gesagt hatte; sie gingen also nicht fehl in der Annahme, daß er insgeheim den Knaben immer verabscheut hatte – sogar als er bei Wood & King so eng mit ihm zusammengearbeitet und viel Druck ausgeübt hatte, damit Jon zum Sozius ernannt würde. Der Entschluß der Verlobten, die Trauung lieber in einem scheußlichen Restaurant in Soho als hier im Haus der Familie zu feiern, Charlottes Weigerung, das Hochzeitskleid ihrer Mutter zu tragen, Charlottes Hohn – wie sonst sollte man benennen, was sie getan hatte, als sie ihm erklärte, bei der Hochzeit werde nur ein Rabbi den Segen sprechen und sie plane, zum Judentum überzutreten –, Jons falsche Beschuldigung, die sie ihrem Vater frech ins Gesicht schleuderte: Er sei in der Firma allseits als Antisemit bekannt – dies alles und anderes mehr nagte an ihm. Aber nichts davon konnte ihn dazu bringen, mit Jubel zu hören, wie Charlotte ihre Ehe ungerührt und eiskalt auf die leichte Schulter nahm und ihren Mann mit einer vulgären Bezeichnung abtat. Auf so viel Würdelosigkeit war er nicht im mindesten vorbereitet. Er mußte blind gewesen sein.
Es tut mir so schrecklich leid. Arme Charlotte. Hast du Jon mitgeteilt, was du vorhast?
Leid tut es dir? Du konntest ihn nicht ausstehen. Sag doch lieber: Gut, daß du den los bist. Nein, ich mußte es ihm nicht ausdrücklich mitteilen. Er ist ein Arschloch, aber er ist nicht doof. Die Sache ist nur, daß er nicht ausder Wohnung auszieht. Und ich muß im Gästezimmer schlafen, weil er auch mein Schlafzimmer nicht räumen will. Harry sagt, ich bräuchte einen Anwalt, und zwar schnell. Meinst du, W&K würden den Fall übernehmen, da sie ihn doch sowieso aus der Kanzlei werfen? Er hat schon einen Anwalt, einen Mann mit einem italienischen Namen – Cacciatore oder so ähnlich.
Schmidt seufzte. Ich glaube, es wäre für alle Anwälte der Kanzlei sehr unangenehm, dich gegen ihn zu vertreten. Nach allem, was du sagst und wie du es sagst und weil die Wohnung und das Haus in Claverack euch gemeinsam gehören, glaube ich nicht, daß dies
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