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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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gewöhnt sich an gleichmäßige Hintergrundgeräusche – das Tropfen eines Wasserhahns, die Übertragung des Fußballspiels, die der Nachbar sich anhört – und nimmt sie bald nicht mehr wahr. Deshalb wurden die Seufzer der Mutter in ungleichmäßigen Abständen lauter und klangen wie unterdrücktes Schluchzen. Oh, sie stand aus dem Bett auf und hüllte sich wie üblich in einen der Morgenröcke, die sie trug, um die guten Kleider zu schonen, und sie nahm in diesem Aufzug an den Mahlzeiten teil, aber nicht etwa, um etwas zu essen oder gar ihr Schweigen zu brechen. Die Wunde – der eine oder der andere Schuldige, Schmidt oder sein Vater, saß mit ihr am Tisch und wußte nur zu gut, um welche Wunde es sich handelte und wie man sie ihr geschlagen hatte – war zu tief. Das konnte tagelang so weitergehen, bis Schmidts Vater ihr, mit Absicht und nicht zur Versöhnung bereit, eine neue Kränkung zufügte, indem er zum Beispiel ein Weinglas aus Kristall in der Hand zerdrückte, so daß der Rotwein sich übers weiße Leinentischtuch ergoß – ein bewundernswerter Trick, denn er schnitt sich nie an den Scherben –, oder aber mit einem juristischen Schriftsatz oder einem Darlehens vertrag für ein Schiff zu Tisch kam und während der Mahlzeit an Korrekturen arbeitete, was er nur unterbrach, um vom angebotenen Essen zu nehmen. Ohne ersichtlichen Grund tauchte die Mutter irgendwann aus ihrem Trancezustand wieder auf. Dann redeten sie wieder miteinander, in einem Ton, der ebenso grau und gehässig war wie das Schweigen, das vorangegangen war.
    Schmidt mußte allerdings immer klein beigeben und um Verzeihung bitten. Sein normalerweise gelassener, überlegener Vater neigte zu jähen Wutanfällen; sie waren verletzend, weil sie plötzlich und aus heiterem Himmel losbrachen, weil er wüste Beschimpfungen ausstieß und im nächsten Augenblick schon wieder vergaß, was er gesagt und getan hatte. Die Mutter dagegen vergaß nie und verzieh nie. Jede Kränkung wurde wie ein Pflänzchen sorgsam gehegt und gepflegt, bis sie ihre giftigen Früchte trug. Und was konnte er nun zu seinen Gunsten anführen?
    Hatte er sich in Geldangelegenheiten gegenüber Charlotte fair verhalten, hatte er sie denn gut behandelt? Die Sache mit den Geldern, die er ihr gegeben hatte, als er ihr die Anwartschaft auf sein Haus abgekauft hatte, die Summe, die sie für das Haus in Claverack und das Apartment in der Stadt verwendet hatte, die Zahlung an sie, die ihm so hartnäckig im Kropf steckenblieb – all das war schließlich ganz und gar seine Idee gewesen, Frucht eines nachtragenden Zorns, der seiner Eltern würdig war. Notwendig war keine dieser Transaktionen gewesen: Er hatte sich auf sie eingelassen, weil er seinen zukünftigen Schwiegersohn nicht leiden konnte. Wenn er schon Wochenenden und Ferien unter einem Dach mit diesem jüdischen Rechtsanwalt zubringen mußte, dann wollte er dem jungen Mann wenigstens zeigen können, wer Herr im Haus war – ein Ehrgeiz, der sich kaum ganz befriedigen ließ, solange des Juden Ehefrau, seine Tochter, Miteigentümerin des Hauses war. Die so aufwendige wie unnütze List hatte sich gegen ihren Urheber gekehrt. Aber wer weiß? Wenn er den Mund gehalten und nicht so auf Veränderung gedrängt hätte, wären Charlotte und Jon vielleicht an den Wochenenden in dieses Haus gekommen. Dann hätte er ihnen beiden vielleicht helfen können, besonnen zu bleiben. Schließlich kannte er W&K sehr gut. Aber auch da hatte sein Ärger über allzu deutliche Kränkungen die alten Freundschaften außer Kraft gesetzt, mochten sie auch nur lau gewesen sein, und die alten Gepflogenheiten blockiert, die Lew Brenner oder Mike Woolsay oder gar DeForrest hätten dazu bewegen können, ihm am Telefon oder nach dem Firmenessen einen Tip zu geben – aber er hatte sich ja nicht die Mühe gemacht, auch nur ein einziges Mal wieder hinzugehen, seit er türenschlagend seinen Abschied genommen hatte – und ihm vielleicht zu sagen: Schmidtie, ich weiß, es geht mich nichts an, man mischt sich nicht inanderer Leute Angelegenheiten, aber Jon muß vorsichtiger sein, die Leute reden schon, vielleicht solltest du mal nach dem Rechten sehen. Ein Wort zum Guten. Hätte er die Schriftzeichen an der Wand entdeckt, hätte er das Menetekel sicherlich gelesen. Aber was er las oder wußte, war ganz gleichgültig: Geschick und Geduld waren ihm nicht gegeben. Er hatte seine Tochter den Hunden vorgeworfen.

IV
    Nein: Schmidt, der inzwischen seit über einem Monat in

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