Schmidts Bewährung
und da sie beide sich nur mit größter Mühe überwinden konnten, über Geld zu sprechen, und dabei immer so verkrampft waren, als bekämen sie bei diesem Thema eine Gänsehaut, hatte sie das Schmuckstück beiseite gelegt und auf diese Weise eine Handlung, die sie tadelte, ungeschehen gemacht. Sie konnte darauf zählen, daß er verstand und schweigen würde. Diese Vorgeschichte war womöglich der Grund, warum er Charlotte die Brosche nicht angeboten hatte, als er ihr Marys übrigen Schmuck überließ, diese bittersüße,in Lederschatullen unterschiedlicher Größe und Form eingesargte Chronik seiner Verehrung und seines Sinns für Begleitumstände. Marys Mutter war sehr jung gestorben, ihr Vater schon davor im Maschinengewehrfeuer gefallen, als er auf einen Strand in der Normandie zuwatete; von diesen beiden hatte sie nichts geerbt außer den Eheringen und einem Verlobungsring, die Schmidt ebenfalls zurückhielt: die Eheringe, weil sie ihn verlegen machten, den Verlobungsring, weil er so rührend ärmlich war, daß Schmidt ihn lieber nicht den Augen und dem Kommentar Dritter aussetzen wollte. Der wertvolle Schmuck in Marys Familie stammte von Tante Martha; Mary hatte ihn gleich nach dem Tod der alten Dame in einen Banksafe gebracht und für Charlotte aufbewahrt. Die meisten Stücke, die Schmidt Charlotte anbot, nahm sie. Den Rest verkaufte er für mehr Geld, als er für möglich gehalten hätte, an einen Händler, mit dem er seit Jahren im Geschäft war. Aber nicht den Bostoner Skarabäus – an dem hing er zu sehr. Ihn zu behalten und ein zweites Mal herzuschenken, das war die richtige Entscheidung gewesen. Als Carrie den Schmuck sah – er hielt ihr die geschlossene Faust mit dem Skarabäus hin und sagte: Schnell, klopf an, sieh nach, was drin ist –, fragte sie ihn schüchtern: Mein Liebling, ist der für mich? Und als er nickte, küßte sie seine Hand, nannte ihn noch einmal Liebling und dann Bebop, steckte sich die Brosche ans Hemd und wollte das College schwänzen, um den Tag mit ihm zu verbringen, weil er sie so glücklich gemacht habe. Aber er sagte, geh nur, sieh zu, daß du nicht zu spät kommst und daß du vorsichtig fährst, hielt ihr die Tür des kleinen Autos auf und stand noch in der Einfahrt, als es schon lange nicht mehr zu sehen war. Bebop. Die Verkleinerungsform des Namens, den sein Pate trug, und das einzige Kosewort, das Schmidts Mutter in den Mund genommen hatte. Falls sie zufällig einmal nicht schlechtgelauntwar, hatte sie, wenn einer seiner Freunde anrief, während er im selben Zimmer saß wie die Mutter, eine merkwürdige Art, am Telefon zu sagen: Du willst bestimmt mit Bebop sprechen, warte, ich hol ihn dir, er muß irgendwo im Haus sein. Dabei zuckte er zusammen. Wenn Carrie das Wort sagte, hatte es einen ganz anderen Farbton. Es leuchtete bunt wie ein Regenbogen.
Erst am späten Nachmittag würde sie wieder dasein. Bis dahin hatte er nichts, buchstäblich nichts zu tun. Es war unsinnig, das Bett zu machen oder den Tisch abzuräumen, weil die Polinnen im Lauf des Vormittags kommen würden. Carrie hatte gesagt, daß sie auf dem Heimweg Wurst und Obst und Gemüse zum Abendessen einkaufen würde. In der Speisekammer lagen so viele Dosen mit Thunfisch und Sardinen, daß der Haushalt für eine Belagerung gerüstet war, und Brot und Käse hatte er mitgebracht, als er die Frühstückscroissants geholt hatte. Also, für das Mittagessen war gesorgt. Der leichte Dauerregen, der fast unmittelbar nach Carries Aufbruch begonnen hatte – er war froh, daß sie das Wagendach geschlossen hatte –,verbot zwar nicht, ein paar Bahnen im Pool zu schwimmen, lud aber auch nicht gerade dazu ein. Gil Blackman war an die Westküste gefahren. Schmidt wußte nicht recht, ob er Gil angerufen hätte, wäre dieser in Bridgehampton gewesen, denn dabei hätte er entweder riskiert, daß Gil ablehnte, weil er keine Zeit für eine Mittagspause habe, oder aber, daß beim Essen das Thema der letzten Unterhaltung wiederaufgenommen würde; die Wahrscheinlichkeit dafür war hoch. Er konnte jederzeit Elaine zum Lunch zu sich einladen. Das war allerdings etwas, das er noch nie getan oder auch nur in Erwägung gezogen hatte. Ging Elaine je zum Essen aus, wenn sie nicht einer gesellschaftlichen Verpflichtung nachkommen mußte, die auch Gil einschloß? Schmidt bezweifelte das; sie hatte ihm erzählt, daß sie tiefin den Vorarbeiten für ihr Buch über Waisenhäuser in der Kolonialzeit steckte. Der Bestand der Leihbücherei in
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