Schmidts Einsicht
ist wirklich ganz einfach: Ich wollte es. Ich wollte mit dir ins Bett. Du hast gesagt, du hättest dich in Paris auf den ersten Blick in mich verliebt, kannst du nicht begreifen, daß mir ungefähr das gleiche passiert ist? Ichbin nicht gewohnt, von Liebe zu reden. Aber auf meine Weise bin ich verliebt! Ich brauche dich. Bitte, schick mich nicht weg.
Oh, Alice, sagte er, das ist das letzte, was ich möchte. Du bist mein Traum vom Glück. Mein einziger Traum. Aber was ist mit Popov? Weiß er von mir?
Nein, sagte sie und klang noch trauriger als vorher, solange sie geweint hatte. Ich habe es ihm nicht erzählt. Er denkt, ich besuche eine Freundin, die mit einem Professor aus Oxford verheiratet ist. In Paris waren wir immer nur zusammen, wenn er verreist war.
Ja, sagte Schmidt. Diesen Teil, daß er verreist war, meine ich, habe ich mir gedacht. Aber ich möchte sicher gehen, daß ich dich richtig verstehe: Du denkst nicht daran, Popov von uns zu erzählen. Ich möchte es noch einfacher sagen. Du hast nicht die Absicht, eure Beziehung zu beenden. Ist das richtig?
Sie nickte.
Aber mit mir willst du auch weiter zusammensein?
O ja, sagte sie, und wie sehr!
Aber warum, Alice, warum? Warum willst du Popov betrügen? Bitte verzeih mir dieses Wort, aber es ist das richtige. Warum willst du mit zwei Männern schlafen? Was liegt dir an mir?
Schmidtie, du verstehst nicht. Serge ist nicht wie du: Er ist nie wie du gewesen. Wir lieben uns nur ganz selten! Seine Freunde sollen wissen, daß wir zusammen sind, das gefällt ihm, er geht gern mit mir aus, liegt gern im Bett neben mir und redet. So ist es immer gewesen. Immer nur sehr wenig von dem, was ich mit dir mache: Jetzt kommt es so gut wie gar nicht mehr vor. Bitte versteh! Die Sache mit Serge ist wie eine alte Ehe. Ich würde ihn zerstören, wenn ich ihn verließe. Das kann ich nicht machen. Du würdest es an meiner Stelle auch nicht tun.
Sie hatten den Hauptgang gegessen und die Flasche Wein getrunken.
Suchen wir uns ein gutes Dessert aus, sagte Schmidt, etwas, das zu Champagner paßt.
Dann ist alles in Ordnung? rief sie. Du verstehst, und es ist in Ordnung?
Lange Zeit gab er keine Antwort, weder, als er den Champagner bestellte, der prompt gebracht wurde, noch, als sie ein Dessert aussuchten, auch nicht, als der Kellner ihre Gläser füllte.
Es ist so schrecklich traurig, erklärte er ihr dann. Das ist wirklich alles, was ich dazu sagen kann.
Es war die Wahrheit. Er hätte ihr gern gesagt, alles sei in Ordnung, glaubte aber, mit der Antwort, die sie erwartete, könne er nicht leben. Sowenig wie mit der Antwort, die, wie er fürchtete, die einzige war, die er geben konnte.
Schmidtie, siehst du nicht, fühlst du nicht, daß wir zusammen glücklich sind? Warum willst du dieses Glück aufgeben?
Er holte tief Luft. Also gut, sagte er, ich will eine Erklärung versuchen. Es war ein Fehlstart, ein Anfang unter falschen Voraussetzungen. Ich habe nicht an ein kurzes Intermezzo – nennen wir es so, das Wort ist das mildeste, das mir einfällt – mit dir gedacht, daß du so etwas wollen könntest, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ich habe mich wirklich und wahrhaftig in dich verliebt, so ernsthaft und ehrlich, wie ich es vermag. Sicherlich ist an meiner Art, zu denken und zu reagieren, etwas durch und durch falsch, aber ich kann keine Kehrtwende machen und sagen, ach, dies ganze Gerede von der ernsthaften Liebe war nur ein blöder Fehler, Popov bleibt zwar im Spiel, doch Alice und ich, wir können uns treffen, wenn er auf Reisen oder anderweitig beschäftigt ist, und uns dann eine herrliche Zeit gönnen. Das kann ich einfach nicht. Ichkann nicht die Brotkrumen essen, die von Popovs Tisch fallen. Deshalb schlage ich vor, wir verzehren unser Soufflé, trinken unseren Champagner aus, nehmen einen Kaffee und einen Brandy, der so gut ist wie der in Paris. Und danach gehen wir dann ins Hotel und gönnen uns eine heiße Nacht in der Kiste! Entspricht das nicht im Kern deiner Vorstellung?
Das hab ich nicht verdient, erwiderte sie. Oder vielleicht doch. Vielleicht habe ich es nicht anders gewollt. Sei’s drum. Eine Nacht in der Kiste und dann leb wohl. Aber ich hoffe, du wirst nicht vergessen, was ich dir jetzt sage: Du machst einen schrecklichen, grausamen Fehler. Einen, den du immer bereuen wirst.
Als am Morgen ihr Wecker klingelte, griff er nach dem Telefon, um Frühstück zu bestellen. Sie hinderte ihn daran, schüttelte ärgerlich den Kopf, sagte aber nichts. Dann
Weitere Kostenlose Bücher