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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Ich denke eher an Sigourney Weaver.
    Als sie sich trennten – Schmidt merkte, daß ihre Abschiede von Mal zu Mal emotionaler wurden –, sagte Mr. Blackman: Schmidtie, du bist stur wie ein Maulesel, das weiß ich. Aber bitte tu dir selbst den Gefallen, und komm heraus aus dem Loch, das du dir selbst gegraben hast. Spring ins Flugzeug. Geh nach Canossa, das heißt nach Paris. Wirb um sie, sieh zu, daß sie mit dir schläft, und überlaß den Rest der Zeit.
    Schmidt nickte, schüttelte Gil noch einmal die Hand und ging auf der Park Avenue nach Norden. Es kam ihm so vor, als wanke er, aber in Wirklichkeit bewegte er sich mit festem Schritt. Die Sonne war blendend hell. Er wechselte auf der Suche nach schattigen Abschnitten zur Westseite der Straße und ging weiter nordwärts. Gil hatte recht. Daß er selber ein Idiot war, wenn es sich um DT, Katerina und ihre Vorläuferinnen handelte, trübte sein Urteil in den Angelegenheiten anderer nicht. Warum sollte er den Rat seines besten Freundes nicht befolgen, des Künstlers, der in seinen Filmen immer wieder gezeigt hatte, wie gut er die menschliche Natur verstand? Warum? Weil er Alice nicht traute. Das war der tiefere Grund für seine absurde Sturheit. Sie hatte gelogen, ihn zum Narren gehalten. Er hatte eine Entschuldigung versucht – antiseptisch war sie gewesen, wohl wahr, eine telephonische Blumenbestellung, diktierte Worte, allenfalls genug, um sich für das Vergessen eines Geburtstags zu entschuldigen. Eine Frau mit Popov zu teilen war unerträglich, und siehatte ihn durch Täuschung dazu gebracht. Sie im Büßergewand auf Knien um Verzeihung zu bitten, das ging über seine Kräfte.
    Aus welchem Grund auch immer, weil Jerry sich eingeschaltet oder weil Myron insgeheim, ohne Schmidt etwas davon zu sagen, seinen psychoanalytischen Kollegen leicht unter Druck gesetzt hatte oder weil genug Zeit vergangen war und sich das Wort: Reifsein ist alles wieder einmal bestätigte, jedenfalls erhielt Schmidt in seinem Büro einen Anruf von Dr. Townsends ärztlicher Assistentin. Den Drang, nachzufragen – ärztliche Was? –, unterdrückte er und hörte aufmerksam und respektvoll zu. Die junge Frau, sie war russischer Herkunft, darauf hätte er wetten mögen, teilte ihm mit, daß der Doktor Kenntnis von Schmidts Briefen an seine Tochter habe und wisse, daß sie nicht geantwortet hatte. Falls Mr. Schmidt an einer Konsultation mit Dr. Townsend über Mrs. Rikers Verfassung interessiert sei, werde der Arzt dies mit ihr abklären und ihm einen Termin geben. Mr. Schmidt müsse wissen, daß das Honorar für die Konsultation einhundertfünfzig Prozent der Kosten für eine Behandlungsstunde des Arztes betrage und weder ganz noch teilweise von der Versicherung erstattet werde. Mr. Schmidt erklärte sich einverstanden. Zwei Tage später rief dieselbe junge Frau wieder an. Die Konsultation könne am nächsten Tag stattfinden. Ich habe Glück, dachte Schmidt, denn er erinnerte sich, daß New Yorker Psychoanalytiker in früheren Zeiten am ersten August aus der Stadt verschwanden und erst nach dem Labor Day wieder auftauchten. Offenbar hatte er es geschafft, Charlottes Seelenklempner im Moment seines Aufbruchs zu erwischen.
    Das Büro war einzigartig unpersönlich: kein Diplom, kein Familienfoto mit Ehefrau oder Kindern, kein Bildvon Pferden oder Segelbooten zu sehen. Statt dessen Lithographien des alten New York, bevor das Zentrum der Stadt sich nach Norden verlagert hatte, und über dem so unvermeidlichen braunen Ledersofa eine ökumenische Sammlung von Porträtfotos. Schmidt erkannte Freud und Jung. Die anderen waren, wie ihm Dr. Townsend erklärte, New Yorker Größen: Abraham Brill und Lawrence Kubie und, in einer Klasse für sich, Wilhelm Reich, ein häufig mißverstandener und unterschätzter Mann. Schmidt schüttelte sein Mißtrauen gegen den jungen Psychiater ab – er schätzte ihn auf Anfang Vierzig – und fand ihn, sobald er anfing zu reden, attraktiv und direkt. Auch ohne bestätigende Diplome hatte er keinen Zweifel, daß Townsend aus einem von drei oder vier Internaten hervorgegangen und durch Harvard, Yale oder Princeton geprägt war und daß er als Kind seine Sommer in Maine oder auf Long Island verbracht hatte. Intelligente junge Männer, die sich um Anstellung bei W & K bewarben, zu Dutzenden und Aberdutzenden befragt zu haben schadete nicht, sondern schärfte den Blick. Beim Gedanken an seine Zeiten als praktizierender Anwalt, an die Gesellschaft junger Leute, die er

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