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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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schloß sie sich im Bad ein. Als sie wieder herauskam, war sie angezogen. Ihr kleiner Koffer war gepackt – das hatte sie erledigt, bevor sie ins Bett gegangen waren. Sie riß das Gepäckstück hoch, ging aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Unterdessen hatte er sie um Verzeihung gebeten, sie angefleht, ein Wort zu sagen, ihm eine zweite Chance zu geben. Sie beachtete ihn nicht.
    Was hatte ihn dazu gebracht? Der Champagner, den er fast allein ausgetrunken hatte? Seine Wut auf sie und Popov? Wut auf das eigene Verhalten? Kaum hatte sie ihm erklärt, er begehe einen Fehler, den er bereuen werde, sah er ein, daß sie recht hatte. Aber wie sollte er ihn ungeschehen machen? Als sie dann in der Kiste waren – diese Wörter, diese scheußlichen Wörter –, hatte er sie geliebt ohne ein einziges liebevolles Wort, ohne alle Zärtlichkeit, statt dessen jede Liebkosung zu einem tätlichen Angriff werden lassen. Gesten, die sie sonst gern, anscheinend sogar mitFreude gestattet hatte, waren zu unerbittlichen Forderungen geworden: der forschende Finger in ihrem Anus, die verlangte und erhaltene Fellatio, der endlose Cunnilingus. Er ließ so lang nicht ab von ihr, bis sie noch einmal in einem Krampf aufschrie, worauf er sie triumphierend mit einer Aufzählung aller Qualitäten ihrer Muschel traktierte, die ihm mehr Genuß verschafft habe als je eine andere zuvor. Als sie fertig waren, kam er zur Vernunft und flehte sie an, ihm zu verzeihen. Aber jetzt blieb sie stumm. Sie sagte nichts, kein Wort. Als habe er ihr die Kehle zugedrückt. Eine heiße Nacht in der Kiste! Das hatte er gesagt, und er fürchtete, das Echo dieser Wörter würde ihn für alle Zeiten verfolgen. Als sie gegangen war, sah er sich im Badezimmerspiegel an. Sein Gesicht war weiß, blutleer. Er war ein Wrack.

XVIII
    Natürlich war kein Brief von Charlotte gekommen. Er schrieb noch einmal, eine Kurzfassung des ersten Versuchs, und schickte ihn per Eilboten, zusammen mit dem am ersten Tag in London in der Jermyn Street erworbenen langärmeligen blauweiß gestreiften Hemd von der Sorte, die ihr immer gefallen hatte. Er würde zehn Tage lang auf eine Antwort oder einen Anruf von ihr warten; in seinem Brief hatte er sie daran erinnert, daß sie ihn auf seine Kosten zu Hause, im Büro oder in der New Yorker Wohnung anrufen könne. Wenn er bis dahin nichts von ihr hörte, würde er Myron um Rat fragen. Sollte er sich an den Leiter von Sunset Hill oder Dr. Townsend wenden, um zu erfahren, wann er sie besuchen könne? Ob Myron eine andere Idee hatte? Oder war er verurteilt zu warten, auf ein Wort von Charlotte, auf irgendein Anzeichen für eine Besserung? In der Zwischenzeit war ihm die Arbeit, die Konzentration auf die Stiftung, Medizin und Problemlösung. Und alle unüberlegten, impulsiven Handlungen mußte er vermeiden.
    Er war spätabends nach Bridgehampton zurückgekommen. Am nächsten Morgen rief er noch vor dem Zähneputzen und vor der ersten Tasse Kaffee das Blumengeschäft in Paris an, das Mike Mansour empfohlen hatte, und gab den Auftrag, Alice eine malvenfarbene Orchidee zu liefern. Nach dem Preis zu urteilen, war es ein Orchideenbaum. Auch gut. Es mußte etwas sein, das seine Reue laut herausschrie. Was auf der Karte stehen solle? Er verstand, was die Verkäuferin auf französisch fragte, und versuchte, ihr eine Antwort in seiner Sprache zu diktieren: Ich habe mich grausig benommen. Bitte verzeih mir. Gezeichnet Schmidtie. Die Angestellte verstand das Wort grausig nicht. Starrköpfig beharrte sie auf lausig. Das war ja vielleicht ein besseres Wort, aber übernehmen wollte er es nicht. Mit dem Namen Schmidtie hatte sie auch Mühe. Sie bestand auf Schmidt. Mist, sagte er, und ging zu einem Baby-Französisch über, das wenigstens grammatisch korrekt war: S demande pardon . Dumm gelaufen für Schmidtie. Ein paar Stunden später, er verzehrte gerade sein Mittagessen, Sardinen und Gruyère, kam ein Anruf vom Blumengeschäft. Wieder dieselbe junge Verkäuferin. Madame Verplanck habe die Annahme verweigert. Sein Konto werde mit dem Preis für die Pflanze abzüglich der Zustellgebühr belastet. Scham, glühende Scham überkam ihn. Wofür entschuldigte er sich? Für den harschen, lieblosen Sex und die Lektion über die Qualität ihrer Muschel? Unbedingt. Umfaßte die Entschuldigung mehr, auch einen Widerruf seines absurden Anspruchs, sie müsse ihm treu sein? Einen solchen Anspruch hatte er nicht erhoben. Nur Ehrlichkeit hatte er von ihr verlangt. Sie

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