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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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hätte ihm von Popov erzählen müssen. Hätte sie es getan, wäre die Frage der Treue nie aufgekommen. Eine Teilzeitliebe hätte er nicht hingenommen. Der Grund für die Weigerung lag so tief in ihm verborgen, daß er ihn weder erreichen noch entkräften konnte.
    In dieser Verfassung traf er sich mit Gil Blackman zum Lunch in der Stadt. Treffpunkt war das Restaurant Four Seasons Grill im Seagram Building, das Mr. Blackman und andere elegante New Yorker als ihren Club ansahen, da die Oberkellner und die Eigentümer die Idiosynkrasien dieser Stammgäste auswendig gelernt oder in ihre Computer eingegeben hatten, Idiosynkrasien, die Essensvorlieben betrafen oder den Tisch, an dem sie sich in ihrer Wichtigtuerei am wohlsten fühlten.
    Triumph? rief ihm Mr. Blackman zu.
    Niederlage.
    Das glaub ich nicht. Du warst in London und hast es versaut? Warum? Wie?
    Und so versuchte Schmidt eine Erklärung. Viel gab sie nicht her, und sie kam ihm selbst absurd vor, da er über seine letzte Nacht mit Alice nur zu sagen wußte, daß er sie schlecht und ohne jede Zärtlichkeit behandelt habe, obwohl sie sich so gut wie entschuldigt und ihm eine Liebeserklärung gemacht hatte. Gils mitfühlender Blick nahm ihm vollends den Wind aus den Segeln.
    Nicht zu fassen, sagte Mr. Blackman schließlich, die Dame erklärt dir, da sei noch etwas, eine alte Geschichte zwischen ihr und Popov, aber so wie du es erzählst, klingt es eher nach einer Freundschaft und Mitgefühl mit ihm als nach Sex, und du schwingst dich auf dein hohes Roß und galoppierst davon! Wenn du – in deinen Worten – keine Teilzeitliebe willst, warum spannst du sie Serge nicht aus? Biete ihr mehr im Bett und auch sonst, als er vermag. Wie kannst du auf ihre Vergangenheit mit ihm eifersüchtig sein? Oder hast du geglaubt, sie sei noch Jungfrau?
    Nein, habe er nicht, ja, er sei ein Idiot. Und nein, er könne nichts daran ändern. Man könne sie Popov nicht ausspannen und er könne nicht mit Popov teilen, ausgerechnet mit Popov, könne nicht Alices Komplize bei ihrem Betrug an ihm sein. Das war im wesentlichen Schmidts Antwort.
    Mr. Blackman nickte und bestellte sich noch einen Gin-Martini. Möchtest du auch einen? fragte er.
    Schmidt schüttelte den Kopf. Nein, sonst könne er am Nachmittag gar nicht mehr arbeiten.
    Ein bizarrer Gedanke schoß ihm durch den Kopf: Hätte seine arme Mary ihn so reden hören, hätte sie mit denAugen gerollt, eine Gabe, die nicht einmal Mr. Blackman besaß.
    Das wirst du dein Leben lang bereuen, fuhr Mr. Blackman fort, nicht den Martini, sondern daß du dir wieder mal ins eigene Fleisch schneidest. Das wird allmählich zur Gewohnheit, erst läßt du dir die Bewerbung um die Leitung deiner Kanzlei von diesem Mistkerl DeForrest ausreden, dann gehst du in den Vorruhestand, dann spielst du die Primadonna, so daß du den Job in Mikes Stiftung aufs Spiel setzt. Als er dir diesen Job anbot, hattest du die Frechheit – ach was, die Blödheit –, ihm zu erzählen, du hättest Bedenken, daß eure Freundschaft leiden könnte, wenn du für ihn arbeiten würdest; was hast du dir bloß dabei gedacht! Du kannst wirklich ein selbstzerstörerisches Arschloch sein. Damals habe ich dich noch vom Fenstersims weggezerrt. Wahrscheinlich hätte ich dich nach London begleiten müssen. Du bist so dämlich, daß man dich nicht ohne Aufsicht rumlaufen lassen kann!
    Hör auf, sagte Schmidt, bitte hör auf. Mir ist schon elend genug. Jetzt muß ich dir von Charlotte erzählen.
    Mr. Blackman hörte aufmerksam zu und blieb eine Weile stumm, als Schmidt zum Ende gekommen war. Auch das noch, sagte er schließlich. Aber ich habe eine Idee. Kennst du Elaines Vetter Jerry?
    Schmidt schüttelte den Kopf.
    Er ist sozusagen der Papst der New Yorker Analytiker. Die meisten hat er persönlich ausgebildet. Ich könnte ihn bitten, ein Gespräch unter Fachkollegen mit diesem Burschen Townsend zu führen, um herauszufinden, wie der die Sache wirklich sieht. Das mag funktionieren oder auch nicht, aber es kann nicht schaden, Townsend klarzumachen, daß er sich ernsthaft um diesen Fall kümmern muß.
    Schmidt nickte. Ja, tu das bitte.
    In Ordnung. Jetzt habe ich eine Nachricht, die dich aufmuntern wird. Ob du’s glaubst oder nicht, Canning hat die Geschlechtsumwandlung abgesegnet. Jetzt spielt eine Frau die Hauptrolle. Du wirst auf jeden Fall im Abspann genannt.
    Großartig, sagte Schmidt. Hat Julia Roberts die Rolle?
    Sie ist zu hübsch. Wir brauchen eine Person mit mehr Ecken und Kanten.

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