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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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es Carrie erzählen solltest oder – Gott behüte – Jason oder auch nur mir. Aber für deine innere Ruhe ist es wichtig. Ich kenne ein Labor, das DNA-Tests macht. Die Leute sind zuverlässig. Mach’s, alter Freund! Du darfst nicht bis zu deinem Lebensende im unklaren bleiben.
    Ich weiß nicht, sagte Schmidt. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich es wissen will. Angenommen, ich bin nicht sein Vater, soll ich ihn dann weniger lieben? Das will ich nicht. Angenommen, ich bin sein Vater, tue ich dann mehr für ihn als jetzt? Aber was? Carrie ist schwanger. Wenn das neue Baby kommt, ist es mir dann mehr oder weniger wichtig, je nachdem, was der DNA-Test ergibt? Ich glaube, ich weiß die Antwort. Ganz gleich, was ich erfahre, Albert werde ich immer am meisten lieben. Aus einem verrückten Grund: Er kam so bald, nachdem Carrie mich verlassen hatte. Er ist eingehüllt in meine Liebe zu ihr. Unddas würde sich nicht ändern, wenn sich herausstellt, daß ich nicht sein Vater bin. Wozu also?
    Um dein Haus zu bestellen.
    Das war etwas, was Schmidt instinktiv begriff – vielleicht sogar ersehnte, auch wenn es dem Rat widersprach, den er Carrie kurz nach der Geburt des Kindes gegeben hatte.
    Ich mache es, sagte er. Ich hoffe, ich werde es nicht bereuen.

XXII
    Y-Chromosomen lügen nicht, Mr. Schmidt, erklärte ihm der Assistent im SureDNA-Labor. Normalerweise befasse ich mich nicht mit abgeschnittenem Haar, meist findet sich nicht genügend DNA, aber diese Probe war ergiebig. Hier, schauen Sie sich die Aufnahmen an. Sie können es selbst sehen. Diese Person und Sie können unmöglich verwandt sein.
    Schmidt dankte dem Mann, stieg ins Auto, nahm die Auffahrt zum Long Island Expressway und fuhr nach Westen Richtung Stadt. Gut, nun wußte er Bescheid. Das Orakel hatte gesprochen. War dies die Antwort, die er gewollt hatte? Nicht ganz: In einem Winkel seines von Verliebtheit umnebelten Hirns hatte sich der nur halb eingestandene, schüchterne, schuldbewußte Wunsch gehalten, man möge ihm sagen, daß der hübsche kleine Junge sein Kind sei. Zugleich war ihm immer klar gewesen, daß er, wenn es sich wirklich so verhielt, sein Wissen mit ins Grab nehmen und alles tun müsse, um Jasons Vaterschaft zu bestätigen, da er andernfalls womöglich Carries Ehe zerrütten und dem kleinen Albert unsäglichen Kummer bereiten würde. Carries bezaubernde Vorstellung aus dem Wassermannzeitalter, daß es keine Rolle spiele, wer der Vater des Kindes sei, ihr Glaube, daß Jason, auch wenn er wüßte, daß er nicht der Vater war, ein guter Stiefvater sein und das Kind lieben würde, weil Carrie die Mutter war, klang soweit ganz wunderbar. Jason mochte damit einverstanden sein, und sicherlich wäre es das denkbar beste Ergebnis, wenn der wirkliche Vater tot wäre. Und die Folgen für den sehr lebendigen Herrn Albert Schmidt, der in der Nachbarschaft, nur ein paar Kilometer entfernt, wohnt? Unsägliche Qualen: Er müßte daneben stehen und stoisch zusehen, wie Jason die Liebe des Jungen zum größten Teil für sich erntet, wie Jason – oder Jason und Carrie – Entscheidungen über die Zukunft des Kindes treffen, mit denen er, Schmidt, nicht einverstanden ist, er müßte hinnehmen, von vielen plötzlichen Krisen oder freudigen Höhepunkten ausgeschlossen zu bleiben, weil dies aufgrund der Umstände gar nicht zu vermeiden wäre. Keine dieser Visionen schürte einen Verdacht auf zukünftige Arglist oder Böswilligkeit. Keineswegs. Sie nahmen nur vorweg, was sich wie von selbst ergeben würde, und anders als geschiedene Väter, die nicht das Sorgerecht für ihre Kinder haben, würde er sich kein Recht auf Anhörung verschaffen können. Seine Rolle als Onkel oder Großvater ehrenhalber würde er natürlich weiter spielen, immer mit offener Geldbörse, und jedesmal, wenn der Kleine ihn anlachte, vor Glück dahinschmelzen. Aber wenn der kleine Junge irgendwann einmal merkt, daß Albos oder Onkel Schmidts Großzügigkeit seinen Vater in den Schatten stellt, wird er sich dann nicht von Onkel Scheckbuch abwenden?
    Orakel befragt man immer auf eigene Gefahr und fast immer zum eigenen Schaden, denn das Wissen, das sie verlauten lassen, ist mit Gift durchsetzt. Er war gerade noch einmal davongekommen, und er hatte sein Haus bestellt. Er würde den kleinen Albert lieben, weil er Carries Sohn war, ein Kind, das seins hätte sein können, aber nicht war, und er würde Jason in die Augen sehen können. Er hatte ihm kein Kuckucksei ins Nest geschmuggelt. Der blonde

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