Schmidts Einsicht
was dann kam, die jahrelangen Chemo- und Radiotherapien und die Operationen, war es vielleicht ganz gut so. Du kannst dir denken, daß ich wegen dieser Erfahrung sofort Verständnis und Mitgefühl für Charlottes Situation hatte.
Ja, natürlich, sagte Schmidt. Er hätte auch mehr gesagt, aber es war deutlich, daß Josh weiter erzählen wollte.
Hätte ich Jenny nicht gehabt, wäre alles viel schlimmer gewesen. Du hattest Gelegenheit, sie zu beobachten. Sie ist ein gutes Kind: wirklich intelligent und mutig. Ich kann mit ihr reden wie mit einer Erwachsenen. Besser als mit den meisten Erwachsenen.
Schmidt nickte in der kurzen Pause. Allmählich fragte er sich besorgt, welche Richtung Josh mit seiner Geschichte ansteuerte.
Ich muß dir sagen, daß ich mich schon sehr bald, nachdem wir uns begegnet sind, in Charlotte verliebt habe. Vielleicht nach zwei Wochen. Sie war die Begabteste in ihrer Gruppe. Ich bin gern nach dem Unterricht noch geblieben, um mich mit ihr zu unterhalten. Sie hat natürlich viel mehr Zeit gebraucht, denn ihr ging es nicht gut. Aber als sie anfing, sich zu erholen, fing sie auch an, mich gern zu haben. Schmidtie, sie hat mich unglaublich glücklich gemacht.
Ach Josh, ich freue mich so, das zu hören!
Aber du wirst dich fragen, warum wir nicht verheiratet sind, warum wir immer noch getrennt wohnen – in derStadt, meine ich damit. Natürlich wohnen wir alle zusammen in Charlottes Haus in Kent. Ich glaube, Charlotte hat dich nicht so auf dem laufenden gehalten, wie es dir wahrscheinlich lieb wäre.
Das ist eine Untertreibung, hätte er beinahe gesagt, aber er beherrschte sich und nickte nur.
Das ist mir klar, und mir ist auch klar, daß es bitter für dich war, aber irgendwie gehört es zu ihrem Heilungsprozeß. Laß mich erklären. Jenny bedeutet mir alles. Sie ist ein großer Schatz für mich. Ganz ehrlich gesagt, hatte ich Angst, Charlotte die Ehe vorzuschlagen oder sie auch nur zu bitten, zu uns zu ziehen, bevor ich ganz sichergehen konnte, daß ihr Zustand wirklich stabil ist. Du verstehst, was ich meine. Ich konnte die Gefahr nicht in Kauf nehmen, daß Charlotte einen Rückfall bekam – daß sie wieder schwer depressiv wurde –, nachdem Jenny von ihr abhängig geworden war. Und abhängig geworden wäre sie, denn Charlotte ist unwiderstehlich. Aber jetzt ist alles in Ordnung.
Du meinst also, Charlotte ist stabil? Ich muß dir nicht erklären, wie wichtig das für mich ist.
Ja, das meine ich, erwiderte Josh. Ich glaube auch, daß Jenny erwachsen genug ist, um mit jedem Problem umgehen zu können, das sich womöglich stellt. Aber so weit kommt es nicht. Das lasse ich nicht zu. Der langen Rede kurzer Sinn, Schmidtie: Ich bin hier, weil ich dich um die Hand deiner Tochter bitten möchte.
Schmidt spürte, daß ihm die Knie weich wurden. Und wenn schon, in seinem Alter, nach dem Schwimmen und der Strandwanderung, warum eigentlich nicht? Er setzte sich auf den Sandboden und lud Josh an, sich neben ihm niederzulassen. Damals hatte Charlotte ihm mitgeteilt, daß sie und Jon Riker beschlossen hatten zu heiraten. Seine Abneigung gegen Riker war so stark gewesen,daß er gedacht hatte, diese Mitteilung bedeute das Ende einer Existenz, die er sich, nachdem er Mary verloren hatte, allmählich wieder aufgebaut und erträglich gefunden hatte. Dann hatte Riker auch noch die Frechheit besessen, Schmidt in seiner eigenen Küche – sie waren bei ihm in Bridgehampton – zu erklären, er hoffe, Schmidt wisse es zu schätzen, daß er Charlotte zu einer ehrbaren Frau mache! Wie anders, wie unerwartet und wie passend erschien ihm dagegen Josh Whites Antrag.
Ich bin so bewegt, Josh, mir fehlen die Worte. Hat Charlotte ja gesagt? Denn wenn es so ist, gebe ich dir meine Einwilligung mit der größten Freude.
Sie hat, sie hat ja gesagt! Sie standen auf und umarmten einander.
Als sie auf dem Rückweg zu den Mädels waren und Schmidt auf einmal wieder wußte, wie es ist, auf Wolken zu gehen, erklärte Josh, daß er mit seinen Lehraufträgen und dem Verkauf von Werken genug zum Leben verdiene. Jenny habe im Friends ein Stipendium, sein Atelier und die Wohnung gehörten ihm, er hatte sie von seiner Frau geerbt, und im Testament seiner Frau war ein Fonds für Jenny bestimmt, aus dem ihr Studium und ein kleines Einkommen finanziert werden konnten. Eine gute neue Entwicklung habe sich ergeben, da sein Galerist ihm einen Vertrag über eine Vorauszahlung auf künftige Verkäufe angeboten habe.
Wie du siehst, hat
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